Prestigegewinn für die Union in Bonn

■ Nach Koalitionsbruch der DDR-Liberalen profiliert sich die Kohl-Partei als Garant der Zuverlässigkeit

Bonn (taz) - Fast, so schien es, hätte sich Wolfgang Schäuble noch lustvoll die Hände gerieben. Ein breites Lächeln zog über das Gesicht des Innenministers. Genüßlich las er den zum Gespräch über den Einigungsvertrag geladenen JournalistInnen dann eine Meldung vor, mit der ein Angestellter gerade in den Raum geeilt war: Die Liberalen verlassen die Ostberliner Koalition, die Sozialdemokraten haben einen entsprechenden Tendenzbeschluß gefaßt. Die CDU -West hat der Ostberliner Koalitionsbruch in eine konfortable Lage gebracht- und sie räkelt sich darin ausgiebig. Mit Lothar de Maiziere stellt sie sich nun als Garantin jener Tugunden dar, die Liberalen-Ost und Sozialdemokraten drüben zunehmend abgesprochen werden: Stabilität, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewußtsein. „Verantwortungslos“, „unverantwortlich“, „ohne Verantwortung“, kaum andere Vokabeln gebrauchte Innenminister Schäuble am Dienstag abend um das Verhalten der Liberalen zu verurteilen. Und auch andere führende Bonner Unionspolitiker gaben sich gestern eher besorgt als kämpferisch: „Unverständlich und bedauerlich“, kommentierte etwa der Fraktionsvorsitzende Dregger - und forderte die Liberalen sogar auf, in die Koalition zurückzukehren. Daß Schäuble gestern ein einheitliches Wahlgebiet vorgeschlagen hat, mag das Image der Christdemokraten überdies verbessern: Sie können sich jetzt als jene Partei darstellen, die mit einem Kompromißangebot versucht, noch mehr Chaos abzuwenden. „Vielleicht hat man sich da einfach ein bißchen verrannt.“ Auch als er gefragt wurde, warum die Liberalen West wie Ost nun einen so harten Konfrontationskurs fahren, holte Wolfgang Schäuble am Montag abend keineswegs aus, den Koalitionspartner heftig zu beschimpfen. Die friedfertigen Christdemokraten und die streitsüchtige FDP - diesen Gegensatz zu zeichnen, hatte er sich offenbar vorgenommen. In der Tat scheint sich die Partei von Otto Graf Lambsdorff in eine Rolle hineinmanövriert zu haben, in der sie sich selbst nicht mehr wohlfühlt. Zwar begrüßte der FDP -Vorsitzende die Entscheidung der Ostberliner Parteifreunde und geißelte das Verhalten von Lothar de Maiziere mit harschen Worten. Zwar ließ er den FDP-Fraktionsvize Solms zu vulgären Attacken gegen den DDR-Ministerpräsidenten ausholen. Allerdings betonte auch Lambsdorff mehrmals, daß die Bonner Koalition an diesem Krach nicht scheitern werde. Und außer dem Grafen, seiner Generalsekretärin und Hermann -Otto Solms mochte sich gar kein Liberaler finden, der das Verhalten der Ostberliner Brüder und Schwestern wirklich lobte. Was Lambsdorff wirklich geritten hatte, wegen des Streits um den Wahlmodus so schweres Geschütz aufzufahren, blieb wohl auch einigen seiner Parteifreunde unklar: Der Vorsitzende befürchtet, daß die Liberalen wegen des Sympathiezuwachses für Kohl Stimmen verlieren und nutzt jede Möglichkeit sich zu profilieren. Die Liberalen wollen sich vom Geruch der Blockpartei befreien... So versuchten sie den Kurs ihrer Parteispitze mühsam zu erklären.

Ferdos Feroudastan