„Prager Frühling“ für Kurt Waldheim

■ Am Rande der Salzburger Festspiele kommt es zu einem „ganz privaten“ Dreiergipfel

Die Moralinstanzen Weizsäcker und Havel geben Kurt Waldheim die Ehre

Wien mit seinen gemütlichen Kaffeehäusern ist eigentlich der ideale Ort für Dr. Kurt Waldheim. Seit fünf Jahren kann der Österreicher der wichtigsten Tätigkeit eines Staatsoberhaupts ohnehin kaum mehr nachgehen: dem Reisen. Kein Amtskollege will ihn aufsuchen und keiner - vom Papst und einigen wenigen arabischen Staatschefs abgesehen - will ihn empfangen, seit er öffentlich und wiederholt über seine Verstrickungen als Wehrmachtsoffizier in die nationalsozialistische Besatzungspolitik in Jugoslawien und Griechenland gelogen hat.

Nun hat es Waldheim aber doch noch geschafft, seine selbstverschuldete Isolation zu durchbrechen. Anläßlich der Salzburger Festspiele kommt er mit dem tschechoslowakischen Staatspräsidenten Vaclav Havel und Bundespräsident Richard von Weizsäcker zusammen. Alle drei reisen selbstredend als Privatpersonen nach Salzburg und treffen sich - als Staatsmänner oder Privatpersonen oder wie auch immer - zu einem gemeinsamen Frühstück.

Havel wurde bereits im letzten Jahr eingeladen, die Festspiele zu eröffnen. Der damals noch bekannteste Dissident seines kommunistisch regierten Landes sagte zu und wurde schon kurz danach Präsident. Zur Auseinandersetzung kam es erst, als am 2.Juli ein offener Brief der Interessengemeinschaft österreichischer Autoren an Vaclav Havel die Runde machte. Darin wird der „Präsident und Kollege“ gebeten, an der Eröffnung der Salzburger Festspiele im Beisein Waldheims nicht teilzunehmen, nicht nur wegen dessen Vergangenheit als Offizier der Wehrmacht, sondern auch aufgrund seiner Haltung als Außenminister Österreichs am 21.August 1968. An diesem Tag marschierten Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei ein. An diesem Tag auch traf eine Depesche aus Wien in der österreichischen Botschaft in Prag ein: „Wollen Sie Gesandtschaftsgebäude abschließen und nur Paß-Österreichern Zutritt gewähren. Bereits im Gebäude befindliche tschechoslowakische Staatsbürger sollen unter Hinweis darauf, daß Gesandtschaft der Aufnahme eigener Staatsbürger vorbehalten bleiben muß, durch gütliches Zureden zum Verlassen des Gebäudes bewogen werden...“ Gezeichnet: „Außenamt - W.“

Auf den „offenen Brief“ reagierte zunächst die Charta77, die Havel selbst mitgegründet hatte. Auch sie bat nun in einem „offenen Brief“ den Staatspräsidenten, von einem Besuch in Salzburg abzusehen. Aber Havel entschied sich für die umstrittene Reise nach Österreich. Doch bat er offenbar um Beistand in Bonn. So kommt es, daß nun Bundespräsident Weizsäcker gestern nach Bayreuth geflogen ist, um dort Havel zu treffen und mit ihm zusammen nach Salzburg weiterzureisen. In der Bonn lockt das keinen müden Politiker hinter dem Ofen hervor. Nur bei den Grünen machte sich Unmut breit. Das Treffen mit Waldheim findet die Bundestagsabgeordnete Jutta Oesterle-Schwerin etwa, die Weizsäcker bei dessen Wahl vor einem Jahr im übrigen ihre Stimme nicht gegeben hat, schlicht „widerlich“.

Thomas Schmid