Neu im Cinema: „Matador“ von Pedro Almodovar

■ Lang lebe der Stier!

Manchem Begriffspaar wäre, wg. Zerrüttung, zur Scheidung zu raten. Die alten Eheleute Liebe & Tod haben, glaube ich, auch nicht mehr viel vor sich. Einen ganzen Film lang hat Pedro Almodovar sie zusammengesperrt, und sie haben sich nur angeglotzt.

So hartherzig springt der Mann, dem wir immerhin „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ (1987) verdanken, in Matador (Spanien 1986, 105 min.) mit nahezu allen verdienten Motiven aus dem Mantilla-und Degen-Milieu um. Sie verweigern, trotz der filmischen Erzwingungshaft, jede Aussage. Sogar Spitzhacken, Blödiane und Blutwürste bestehen darauf, Spitzhacken, Blödiane und Blutwürste zu sein und nicht etwa erdaufreißende Phalli oder Weihwasserschwengel mit magischem Talent.

Solche Geschichten kann man auch keinem anhängen: Abgedankter Torero trifft haarnadelbewehrtes Mordsweib, und gleich fallen sie einander schwer in die Augen, die Todesengelchen, und es versteht sich, daß sie nunmehr nicht mehr wahllos erstechen wollen, sondern nur noch einander. Weil Sex und Tod, das ist, unter uns, sowieso eins. Behauptet hartnäckig der Film, der aber irgendeine finale Auslöschung von Sinnen gar nicht hinkriegt, sondern Bilder reiht von ermatteten Ritualen. Im Matador steckt höchstens der sture klerikale Charme einer Fronleichnamsprozession, welche auch einem unvermeidlichen Ziel zustrebt, nämlich daß sie endlich aufhört.

Ach und die Figuren. Diego, der Matador (Nacho Martinez) und Maria mit der Haarnadel (Assumpta Serna), diese beiden vollziehen schwerwiegende Gesten und sind mit rauschendem Blut aufgepumpt. Und auf daß auch wir ihnen huldigen, hat Almodovar sie umgeben mit einem passablen Rudel Leute -Menschen. Da gibt es Polizisten und Liebende üblicher Sorte und einen Simpel von Matadors-Lehrbub, der werden will wie der Meister und sich nur blamiert.

Kein Wunder, weil er ist aber auch geschlagen mit sowas von einem Schreckens-Muttchen, einer schnäppischen Frömmlerin mit schmiedeeiserner Weltanschauung. In Sachen Liebe & Tod haben sie alle, hähä, keine Ahnung, aber umso stärkere Neigung, schwärmerisch darob zu erschauern, wie vermutlich auch schon unsere armen Eltern taten, solange sie uns noch nicht hatten.

Damit wir begreifen, was wirklich zählt, ist das Schauspiel strengstens nach der Choreografie des Stierkampfes kommandiert. Alles ist Stoß und Stich, das rumpelt und metzelt sich so dahin, und die Kamera rennt allem hinterher, was auch nur einen Rucks macht. Im Grunde ist Matador ein fuchteliger Protzfilm aus lauter Gefühlspomp, und die Allegorie, die er gern wäre, die wird er nicht, da tun die zahllosen Symbolismen und all das Geraune nix zur Sache. Wir sehen doch bloß garantiert handkolorierte Gespenster aus der Branche Andenken und Wahrzeichen.

Und ich verwette meinen Degen aus Toledo, daß die vielen blutfarbenen Requisiten das Fremdenverkehrsamt spendiert hat. Manfred Dworscha

Täglich im Cinema, 20.45 Uhr