Ungarische Revolution von 1956 rehabilitiert

■ Niederschlagung des Aufstands war „unstatthaft“

Budapest (ap/taz) - Die „Umwertung aller Werte“ im Verhältnis der Sowjetunion zu den Staaten ihres vormaligen Hegemonialbereichs ist jetzt vollendet. Am Dienstag erklärte der Sprecher des sowjetischen Außenamtes, Gerassimov, in Prag, die „Ereignisse“ des Jahres 1956 in Ungarn „müssen mit Sicherheit als unstatthaft angesehen werden“. Mit dem in der traditionellen Verschleierungsterminologie gebräuchlichen Begriff des Ereignisses ist nichts anderes gemeint als die Niederschlagung der ungarischen Revolution.

Erst vor einem Jahr hatte die damalige reformkommunmistische - Führung Ungarns eine dramatische Wendung vollzogen und die Toten der Revolution von 1956 als Freiheitskämpfer rehabilitiert. Indem damals mit der Lebenslüge des Kadar-Regimes, der Aufstand sei konterrevolutionär gewesen, gebrochen wurde, fiel die letzte Bastion des realsozialistischen Systems. Mit der großen Totenfeier für Imre Nagy und seine Genossen gerieten auch die außenpolitischen Orientierungen der Revolutionsregierung wieder ins Blickfeld - voran der Austritt aus dem Warschauer Vertrag und die Neutralitätserklärung Ungarns. Nicht der innenpolitische Reformkurs Nagys hatte damals zur sowjetischen Intervention geführt sondern eben diese Aufkündigung der Blockdisziplin. Das China Maos und paradoxerweise - auch das Jugoslawien Titos hatten den sowjetischen Überfall gebilligt. Die jetzige Erklärung Gerassimows spricht das Urteil über die gesamte Nachkriegskonzeption des „sozialistischen Lagers“. Denn im Gegensatz zu den Prager Reformkommunisten, deren Rehabilitierung nur den selbstständigen Entwicklungsweg jedes sozialistischen Landes im Rahmen der „Gemeinschaft“ rechtfertigte, hatte sich Nagy dem angemaßten „sozialistischen Internationalismus“ verweigert. Die gegenwärtige, auf rasche Überwindung der Militärblöcke zielende sowjetische Politik hat mit dieser historischen Aufräumarbeit weiter an Glaubwürdigkeit gewonnen. Dies wird die ungarische Regierung freilich nicht hindern, binnen kurzem den Warschauer Vertrag zu verlassen und damit die Illusion einer gleichlaufenden Demontage der Militärbündnisse endgültig zu zerstören. Insofern kommt die Geste Gerassimovs wie so vieles zu spät.

C. S.