ANC-Exekutivmitglied Kasrils tauchte ab

■ Regierung de Klerk vermutet Komplott / Kasrils: „alles Hysterie“ / Dennoch müsse der Aufbau der Untergrundstrukturen aus Sicherheitsgründen weitergehen / Mandela: das Treffen findet statt

Aus Johannesburg Hans Brandt

Noch am Mittwoch hatte Nelson Mandela die zurückhaltende Reaktion des ANC auf die Verhaftung eines seiner etwa 35 Exekutivmitglieder mit der Notwendigkeit begründet, den Verhandlungsprozeß mit der Regierung nicht in Gefahr zu bringen. „Wir sind die Architekten des Friedensprozesses, der jetzt in Gang ist“, sagte der ANC-Vizepräsident. „Nichts könnte den Friedensprozeß stören, außer wenn die Regierung sich zurückziehen sollte.“ Das für den 6. August geplante Treffen mit der Regierung werde stattfinden.

Die Polizei hat unterdessen angekündigt, es könnten noch weitere Festnahmen folgen. Nach dem herrschenden Sicherheitsgesetz kann eine Haft ohne Angabe von Gründen und ohne Haftrichter bis zu sechs Monaten dauern.

Mandelas Äußerungen kamen nach der Festnahme des ANC -Spitzenfunktionärs und Mitgliedes der kommunistischen Partei (SACP), Sathyandranath „Mac“ Maharaj am Mittwoch. Dazu hatte der Vizepräsident des ANC gemeint, die Festnahme von Maharaj sei für den ANC eine „sehr ernste Angelegenheit“. „Es gibt keine Entschuldigung für diese Anwendung von Sicherheitsgesetzen.“ Die Regierung habe sich immerhin bereit erklärt, in absehbarer Zeit Sicherheitsgesetze abzuschaffen. Offen bleibt nach der Verhaftung auch die Wirksamkeit der Amnestie, die die Regierung für alle Mitglieder der ANC-Exekutive erklärt hatte. Die Regierung wird wohl sagen, die Amnestie gelte nur für Taten, die vor Erklärung der Straffreiheit begangen wurden.

Gestern nun tauchte ein weiteres von der Polizei gesuchtes Exekutivmitgied des ANC unter. Kurz zuvor hatte sich Ronnie Kasrils noch mit der Presse getroffen und betont, daß der Aufbau der Armee und Untergrundstrukturen auch nach der Legalisierung des ANC weitergegangen sei, da es keinen formalen Waffenstillstand gebe. Kasril ist mit „Mac“ Maharaj seit 1988 für den Aufbau von Untergrundstrukturen verantwortlich. Vehement wies er die von Regierungsseite und der nationalen Presse erhobenen Vorwürfe, der ANC plane ein Umsturz-Komplott der Regierung de Klerk, zurück. „Es gibt kein Komplott. Das ist absolute Hysterie und Kommunistenhatz.“

Kasrils meinte, da es keine Garantie gebe, daß die Versprechen der Regierung de Klerk eingehalten würden, müsse man auf der Hut sein. Kasrils war bis 1988 Nachrichtenchef der ANC-Armee. „Im Augenblick ist die Frage, ob de Klerk oder die Sicherheitspolizei die Kontrolle habe.“ In dieser Situation müsse die ANC-Armee als „Versicherung“ ihre Strukturen aufbauen. Sogar im Fall eines Waffenstillstandes habe der ANC das Recht, seine Kräfte auszubauen. „Die Regierung tut dasselbe,“ sagte Kasrils. „De Klerk hat zwar die geheimen Sicherheitsstrukturen seines Vorgängers ein wenig abgeändert, aber sie bleiben bestehen. Und in den offenen ANC-Strukturen werden nach wie vor Informanten der Sicherheitspolizei plaziert.“

Ronnie Kasrils behauptete gestern auch, daß es im ANC trotz der milden öffentlichen Reaktion sehr viel Verägerung über die Verhaftungen gebe. „Bei den Gesprächen übernächste Woche wird de Klerk keine Zurückhaltung spüren“, so Kasrils. Die Regierung versuche zur Zeit, Spannungen im ANC zu schüren. „Sie wollen unsere Allianz spalten, wollen uns schwächen und sich stärken“, sagte er. Doch um die andauernden Verhaftungen und Repressionen zu rechtfertigen, fiele der Regierung nichts besseres ein, als von einem kommunistischen Komplott zu sprechen. „Aber die ganze Angelegenheit wird der Regierung bald peinlich sein.“

Beobachter sehen auch einen Zusammenhang zu der am Wochenende geplanten Gründungsveranstaltung der fast 40 Jahre lang verbotenen kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) am Wochenende in Soweto. Der 56jährige Maharaj, nach den gültigen Rassengesetzen als Inder eingestuft, soll er in der immer noch recht geheimen Hierarchie der SACP an 3. oder 4. Stelle stehen. Er hat wie so viele andere politische Aktivisten, die nun am Verhandlungstisch sitzen, 12 Jahre im berüchtigten Gefängnis Robben Island verbringen müssen und war danach 13 Jahre lang im Exil.