: Fristlose Kündigung wegen Heirat
Im Prinzip hat die Katholische Kirche nichts gegen die Ehe. Im Fall der Lingener Heilpädagogin Andrea Kohne allerdings bestrafte der Bischof ihre Heirat mit fristloser Kündigung. Der Grund: Andrea Kohne hat nach einer Scheidung 1987 im erzkatholischen Emsland im Dezember vergangenen Jahres zum zweiten Mal geheiratet - und damit gegen den Paragraphen 6 ihres Arbeitsvertrages verstoßen. Darin hatte sie sich nämlich verpflichten müssen, keinen „groben äußeren Verstoß gegen das Kirchenrecht“ zu begehen. Doch genau das sei mit ihrer zweiten Heirat passiert, argumentierte der katholische Caritasverband in seiner Kündigung. Dieses Recht der Kirche, ihre eigene Moral zur Voraussetzung des Arbeitsvertrages zu machen, bestätigte jetzt auch das Lingener Arbeitsgericht.
Allerdings nur im Prinzip: Im konkreten Fall Andrea Kohne mußte die Caritas die Kündigung zurücknehmen und verpflichtete sich zur Nachzahlung von rund 40.000 Mark Gehalt. Der Fall hatte hohe Wellen geschlagen. Schließlich kam die Kündigung bei der Caritas einem Berufsverbot gleich. Denn in Lingen sind alle entsprechenden Einrichtungen in konfessioneller Trägerschaft. Auch die Evangelische Kirche würde die katholische Heilpädagogin nicht beschäftigen, und die Katholische Kirche wollte es nicht mehr.
Gegen die stürmischen Proteste in den Leserbriefspalten der 'Lingener Tagespost‘ („Wie im Mittelalter“) ergriff schließlich im März der Osnabrücker Weihbischof Theodor Kettmann höchstpersönlich das Wort. „Als Abbild der nie endenden Liebe zwischen Christus und seiner Kirche ist die gültig geschlossene und durch die eheliche Hingabe vollzogene sakramentale Ehe unauflöslich. Sie wird nur durch den Tod gelöst“, dozierte er in Lingen und folgerte für den konkreten Fall: Die fristlose Kündigung sei rechtmäßig, denn die Heilpädagogin stehe mit ihrer Arbeit in der Kindertagesstätte „in exponierter Stellung in der Gemeinde“.
Weil bei der fristlosen Kündigung allerdings übersehen worden war, daß Andrea Kohne als Leiterin der Mitarbeitervertretung der Kindertagesstätte besonderen Kündigungsschutz hatte, schickte der Caritasverband im Mai auch noch eine fristgerechte Kündigung hinterher. Doch auch die kam zu spät, belehrte jetzt das Arbeitsgericht die katholischen Arbeitgeber. Denn im Mai hatte die zweite Ehe auch gegen den Willen des Bischofs Gottes Billigung erhalten: Die Heilpädagogin war schwanger und damit unkündbar.
Einschließlich Erziehungsurlaub bleibt Andrea Kohne dank Schwangerschaft und Arbeitsgericht nun doch noch bis zum Mai 1992 bei der Caritas beschäftigt. Erst danach, so behielt es sich der kirchliche Arbeitgeber in dem Vergleich vor, wird sie sofort wieder gekündigt. Doch bis dahin ist die Trägerschaft der Kindertagesstätte nach dem Auslaufen des Übernahmevertrages im Februar 1992 womöglich wieder bei der Stadt Lingen. Und von der ist trotz CDU-Ratsmehrheit keine Kündigung wegen Heirat zu erwarten.
Text: Dirk Asendorpf, Foto: Frank Rogner/Netzhaut
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