Deckname „Caligula“ sollte Parlamentarier täuschen

Berlin (taz) - Der Skandal um das elektronische Stör- und Täuschsystem „Cerberus“ für das Kampfflugzeug Tornado zieht weite Kreise (siehe auch taz von gestern). Drei Redakteure des NDR-Fernsehmagazins „Panorama“ behaupteten gestern in der 'Zeit‘, daß die Beschaffung des Cerberus nicht nur „wie ein illegales Waffengeschäft“ vom Bundesverteidigungsministerium organisiert worden war, sondern daß das Gerät schlichtweg von den USA geklaut wurde.

Die USA hatten 1972 sowohl der Bundesrepublik als auch Israel die Lieferung moderner Anti-Radar-Technologie verweigert. Im Jom-Kippur-Krieg 1973 verlor Israel bereits zu Beginn über 50 Flugzeuge, konnte jedoch ein sowjetisches Radarleitgerät erbeuten. Mit Hilfe dieses Geräts, das an die USA übergeben wurde, gelang es einer Firma in Florida, einen Störsender zu entwickeln, der schließlich die Kriegswende zugunsten Israels herbeiführte.

Die Israelis verkauften die US-Elektronik später heimlich an die Bundesrepublik. Die Geheimdienste BND und Mossad sollten darüber wachen, daß das Geschäft nicht bekannt wurde - schon gar nicht in den USA. Der BND weihte nur wenige Beamte des Verteidigungsministeriums in das Projekt mit dem Deckwort „Caligula“ ein.

Finanziert wurde Caligula aus dem Topf „Systemzuschlag Tornado“, der eigentlich für Inflationsausgleich und Ersatzteile vorgesehen war. Der 1,2 Milliarden teure Cerberus wurde also wie ein Ersatzteilposten behandelt und konnte so auch vor dem Bundestag geheimgehalten werden. „Sie operierten wie eine Geheimloge“, heißt es in der 'Zeit‘. Während das israelische Rüstungsunternehmen Elta die elektronischen Elemente lieferte, wurde der Cerberus von AEG in Ulm montiert.

Problematisch war es, das neuerworbene Gerät zu testen: Das geeignete Gelände in Florida kam nicht infrage, weil der Elektronik-Diebstahl aufgeflogen wäre. So ließ man den Cerberus 1988 in der Negev-Wüste testen - von der Firma Elta. Selbstverständlich bestand das Störsystem die Prüfung.

Erst im vergangenen Monat stellte sich endgültig heraus, daß der Cerberus nicht nur wirkungslos ist, sondern darüber hinaus für den Benutzer gefährlich: Er beeinträchtigt nämlich das Nachtflug- und Allwetterradar des Tornado, was für die Besatzung des Kampfflugzeugs tödliche Folgen haben kann.

Ralf Sotscheck