Die Chauvis des Jahres

■ Die taz mußte einspringen, weil die SPD-Frauenjury auf einem Auge blind war

Schöneberg. Der in Berlins Männerwelt heißbegehrte Titel des „Chauvis des Jahres“ wurde auch dieses Jahr verliehen. Eine Jury aus taz-MitarbeiterInnen mußte allerdings in letzter Sekunde in die Bresche springen, weil der Vorschlag der SPD-Frauen, der offiziellen Preisverleiherinnen der Frauenzeitschrift 'Elle‘, einem völlig unbekannten Münchner Journalisten für eine eher belanglose Reportage über das Outfit von Berlins Senatorinnen die Chauvischürze zu verleihen, die wahren Chauvis verfehlte. Unsere Preisträger, die sich mindestens genauso um den Ruf unserer Senatorinnen verdient gemacht haben, blieben jedoch unprämiert: aus Wahlkampfgründen, wie es hieß; obwohl, wie aus sicherer Quelle zu erfahren war, sich mehrere Bürgerinnenvorschläge für den einen oder anderen aus unserer Chauvikombo aussprachen. Deshalb präsentiert die taz nun hier die verdienten Sieger: das Mompersche Küchenkabinett, bestehend aus Chefkoch Momper selbst, seinem Betonmischer Wolfgang Nagel, Oberkellner Kolhoff und Kellermeister Dieter Schröder von der Senatskanzlei.

Laudatio: Das Mompersche Küchenkabinett hat bewiesen, daß mann sich mit einem Senat - mehrheitlich aus Frauen besetzt

-schmücken kann, aber trotzdem die Macht uneingeschränkt in der Hand behält. Dazu braucht mann den Frauen nur die netten kleinen Orchideenressorts zu geben und selber Bau, Finanzen und Wirtschaft zu behalten. Dann wählt mann für diese Ressorts gezielt Politikerinnen, die keine Hausmacht in der Partei haben und am besten nicht einmal aus Berlin kommen. Zu Sicherheit stellt mann den Frauen noch einen männlichen Staatssekretär zur Seite. Mußte mann trotzdem, aus Rücksicht auf den Koalitionspartner, etwa das Ressort Stadtentwicklung mit einer Frau besetzen, dann trifft mann permanent Entscheidungen über ihren Kopf hinweg - Stichwort Daimler, Hahn-Meitner-Institut, Bundesgartenschau - und läßt keine Gelegenheit aus, zu erklären, mann wolle ihr am liebsten die Hälfte der Zuständigkeit wieder abnehmen.

Statt einer Politikerschelte - und womöglich gar einer, die sich an den eigenen Genossen vergreift - betrieben die SPD -Frauen Medienschelte. Und auch da trauten sie sich nicht an den SFB-Intendanten oder an Machos aus Berliner Zeitungen, mit denen es frau sich ja nicht verderben möchte, sondern ließen den Münchner Journalisten Holger Fuß (übrigens für DM 536) einfliegen. Die Begründung: Er habe in seiner Reportage die „Kleiderfrage zur zentralen Frage“ gemacht.

Eva Schweitzer