„Es ist nur logisch, daß wir Hilfe leisten“

■ Der französische Außenhandelsminister Jean-Marie Rausch über Frankreichs Strategie im Ostgeschäft

INTERVIEW

taz: Gibt es eine Art Arbeitsteilung im Ostgeschäft, dergestalt etwa, daß Frankreich die DDR und Polen der Bundesrepublik überläßt und sich selbst auf Rumänien konzentriert, zu dem immer schon enge Verbindungen bestanden?

Jean-Marie Rausch: Der rumänische Markt hat eine Menge Vorteile. Rumänien besitzt eine breite Palette an natürlichen Ressourcen, an landwirtschaftlichen und touristischen Potentialen. Es ist nach Polen der zweitgrößte Markt in Mitteleuropa. Das Land ist nicht verschuldet und hat so einen größeren Spielraum als andere Staaten der Region. Nachdem, was Rumäniens Ministerpräsident Petyr Roman bei seiner Antrittsrede am 28. Juni gesagt hat, will seine Regierung schnell zu einer Marktwirtschaft übergehen. All das ist positiv.

Trotz der jüngsten politischen Entwicklungen in Bukarest?

Frankreich kann nur wünschen, daß die Regierung sich als wirklich demokratische beweist, so daß die Modernisierung der Wirtschaft Rumäniens mit voller internationaler Unterstützung verwirklicht werden kann. In dieser Perspektive bieten sich den französischen Unternehmen viele Kooperationsmöglichkeiten mit Rumänien, wenn sie sich auf die traditionellen Verbindungen zwischen beiden Ländern stützen und den Bedürfnissen der verschiedenen Sektoren Rechnung tragen. Trotzdem glaube ich nicht, daß der Begriff Arbeitsteilung für die Märkte in Ost- und Mitteleuropa zutrifft: Jedes Land muß für die Konkurrenz offen sein, und jedes Unternehmen muß seine Möglichkeiten ausloten.

Gibt es bereits Kooperationen zwischen französischen und rumänischen Betrieben?

Seit Jahresbeginn hat es zahlreiche Kontakte mit Rumänien gegeben. Es gab viele Sondierungsmissionen und Gutachten von öffentlicher und unternehmerischer Seite. Konkrete Perspektiven gibt es in den Bereichen Energie Nuklearenergie, Öl, Energieeinsparung -, Eisen- und Metallindustrie, Automobilbau, Telekommunikation, Lebensmittel, Bauwesen und Tourismus... Ich hoffe, daß die französischen Unternehmen alle nötigen Bedingungen zur schnellen Realisierung dieser Projekte vorfinden. Die Maßnahmen zur Erleichterung ausländischer Investitionen und die angekündigten Privatisierungen in Rumänien sollten die Gründung gemischter Gesellschaften ermöglichen.

Haben die französischen Firmen nicht zulange gezögert, mit den bundesdeutschen auf dem DDR-markt zu konkurrieren?

Nein, ich denke im Gegenteil, daß zumindest die gewichtigeren französischen Unternehmen den strategischen Charakter des DDR-Marktes im Zusammenhang mit der deutschen Einigung und der Öffnung der Ostmärkte von Anfang an erkannt haben - nicht zu vergessen die Bedeutung des Handels zwischen der DDR und der UdSSR. Viele Firmen sind schon direkt oder durch westdeutsche Filialen präsent. Darunter die meisten großen Namen der französischen Industrie: Saint Gobain (Glas, Mechanik, Anm. D. Red.), Renault, Pechiney (Aluminium), BSN (Gervais-Danone/Lebensmittel), Lafarge (Zement), die Lyonnaise des Eaux (Wasseraufbereitung), Thomson (Elektro)... Man kann den französischen Unternehmen also nicht vorwerfen, sich nicht genügend dynamisch gezeigt zu haben. Allerdings gibt es einige Schwierigkeiten, die aus dem Kontrast zwischen den sehr offenen Reden unserer west- und ostdeutschen Freunde, in denen sie eine Beteiligung Frankreichs bei der Modernisierung der DDR-Wirtschaft wünschen, und den Hindernissen, denen französische Unternehmen manchmal vor Ort begegnen, resultieren.

Wie gedenken Sie, den französischen Firmen unter die Arme zu greifen, damit sie ihren Teil des Kuchens abbekommen?

Die französischen Behörden haben des öfteren ihr vorrangiges Interesse an der Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen mit der DDR erklärt. Sie unterhalten einen steten und engen Dialog mit den deutschen Verantwortlichen. Also ist es nur logisch, daß sie die französischen Unternehmen dabei unterstützen, in der DDR Fuß zu fassen, indem sie ihnen bei der Marktforschung und Promotion sowie beim Export und der Investition Hilfe leisten.

Interview: Alexander Smoltczyk