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Springer blecht 50.000 für Rufmord

■ Ende einer Stasi-Story: Springer Verlag muß Momper-Mitarbeiter hohes Schmerzensgeld wg. falscher Verdächtigung überweisen

Berlin (taz) - Das Boulevardblatt 'Bild am Sonntag‘ (BamS) muß an den Mitarbeiter von West-Berlins Bürgermeister Momper, Ralf Hirsch, 50.000 Mark Schmerzensgeld zahlen eine der höchsten Summen, die eine Zeitung in der bundesdeutschen Pressegeschichte bisher nach einer Ente berappen mußte. 'BamS‘ hatte in der Ausgabe vom 7./8. April 1990 behauptet, der ehemalige DDR-Oppositionelle und jetzige enge Mitarbeiter des Regierenden Bürgermeisters sei ein Agent der ehemaligen DDR-Staatssicherheit gewesen. Was von der Zeitung als Titelgeschichte zu einem neuen „Fall Guillaume“ aufgeblasen worden war, entpuppte sich schon wenige Tage nach der Veröffentlichung als haltlos. Nach Überprüfung der zentralen Personenkartei der Stasi konnten Hirschs Anwalt Danckert sowie mehrere unabhängige Beobachter „mit Sicherheit ausschließen, daß Hirsch jemals offizieller oder inoffizieller Mitarbeiter des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit gewesen ist“, wie es nach der Akteneinsicht in einem Protokoll festgehalten wurde. Die 'BamS'-Geschichte fußte auf den Aussagen eines anonymen „Stasi-Obersten“ (Tarnname Bodo) und einer belanglosen eidesstattlichen Versicherung eines weiteren angeblichen Stasi-Mannes.

Der Axel Springer Verlag war wegen der Veröffentlichung zunächst zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet worden. 'BamS‘ druckte die Entgegnung von Hirsch zwar ab, fügte aber eine redaktionelle Bemerkung hinzu. In der wurde behauptet, die Aussagen des Momper-Mitarbeiters würden sich widersprechen. Ein Kammergericht erklärte das für unzulässig. Noch nachdem bereits durch die Akteneinsicht die Unschuld von Hirsch bewiesen war, schickte 'BamS‘ einen Reporter nach Berlin, der unter falschem Namen und unter Angabe eines falschen Berufes („Ich bin Pfarrer“) bei Freunden und ehemaligen Kollegen von Hirsch vorstellig wurde, um weiteres „Beweismaterial“ zu sammeln.

In einem außergerichtlichen Verfahren gab Springer jetzt klein bei und will den Rufmord mit 50.000 Mark plus Übernahme der Rechtsanwaltskosten sühnen. Soviel Geld mußte bisher nur in zwei anderen Fällen an Presseopfer gezahlt werden: Weil eine Zeitung einem Adligen anhängen wollte, er habe seine Tochter dazu genötigt, eine uneheliche Schwangerschaft abzubrechen, und als ein Nachrichtenmagazin behauptet hatte, ein Kaufhauskönig habe sechs Bundestagsabgeordnete bestochen, damit sie für ein konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Bundeskanzler stimmen würden.

Hirsch will das Geld „auf keinen Fall privat“ verwenden. Er denkt an einen Hilfsfonds für ehemalige Stasi-Opfer, will sich aber noch mit Momper beraten: „Der wurde ja auch angegriffen“, meint Hirsch zur taz. Ralf Hirsch, der in der DDR selbst als Oppositioneller von der Staatssicherheit verfolgt worden war, arbeitet zur Zeit „leihweise“ im Büro des Ostberliner Innenstadtrats, Thomas Krüger (SPD).

Claus Christian Malzahn

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