Obskure „Aktion Perestroika“ schwindelt mit Austausch

■ Hinter einer bundesweiten Plakataktion zugunsten sowjetischer Projekte steckt eine Sex-Sekte / Dieter Duhm und seine „Aktion Perestroika“ werben mit nichtexistierendem Austausch zwischen der Moskauer und der Stuttgarter Stadtverwaltung / Geldbeschaffungsaktion für Gurus?

Aus Berlin Ute Scheub

„Die Angst muß von der Erde verschwinden“ - mit diesem schönen (An)-Spruch Michail Gorbatschows wirbt derzeit eine „Aktion Perestroika“ auf rund 5.000 bundesweit verklebten Großplakaten um Spenden. Unterstützt werden sollen „Initiativen in der UdSSR, die auf eine demokratische, humane und ökologische Gesellschaft hinarbeiten“. Klingt wunderbar. Nur: Nach Recherchen der taz und der Arbeitsgruppe Sekten beim Asta der Freien Universität Berlin ist die „Aktion Perestroika“ nur ein weiterer Ableger der zahlreichen obskuren Sex-Sekten um Otto Muehl und Dieter Duhm.

Der 48jährige Duhm, der zur Zeit der Studentenrebellion durch das Psychowerk „Angst im Kapitalismus“ bekannt wurde, ist ein Schüler des 61jährigen Wiener Aktionskünstlers Otto Muehl. In den 70er Jahren trieb Muehl den Mitgliedern der AAO-Kommune (Aktionsanalytische Organisation) die verwerflichen Wünsche nach festen Zweierbeziehungen aus, Sex zwischen allen war Pflichtprogramm. Nach Auflösung der AAO in den 80er Jahren stampfte der nicht nur extrem autoritäre, sondern auch geschäftstüchtige Guru Muehl auf der kanarischen Insel Gomera ein „Jahrtausendexperiment“ mit 350 Kommunarden aus dem Boden - der Partnertausch wurde nach den Aussagen von Besuchern per „Computer-Fickliste“ festgelegt. Duhm versuchte ähnliches eine Nummer kleiner mit der Kommune „Bauhütte“ im Schwarzwald. Statt ihrer macht nun seit 1988 in Radolfzell am Bodensee und seit neuestem auch in West und Ost-Berlin das „Projekt Meiga“ mit einem „alternativen Bordell“ und anderen kruden Vorstellungen von sich reden. Kostprobe aus ihrem Manifest „Rettet den Sex“: „Manchmal verstehe ich die Männer, die nicht mehr fragen, sondern einfach handeln. Man nennt das Vergewaltigung.“ Aids, so wird dort auch vertreten, sei „ein Spezialfall des allgemeinen sexuellen Elends“ und somit heilbar, und der beste Schutz sei - ausgerechnet!- „freie, vollgelebte Sexualität“.

Auch das Freizeitwerk der SPD-nahen Falken im niedersächsischen Vethem bei Walsrode machte inzwischen unangenehme Bekanntschaft mit der Sekte. Diese wollte dort im August ein Sommercamp für Liebessüchtige veranstalten. Nichtsahnend verpachteten die Falken ihren Zeltplatz, nun versuchen sie wieder aus dem Vertrag auszusteigen.

Ist die „Aktion Perestroika e.V.“ womöglich eine Geldbeschaffungsquelle für die Sex-Sekte? Der gleichnamige Verein mit Sitz in der alternativen „Krebsmühle“ im hessischen Oberursel wurde im März dieses Jahres gegründet und als gemeinnützig anerkannt. Im Vorstand sitzt Rainer Duhm, Bruder von Dieter Duhm. Nach den unterstützten Projekten befragt, berichtete ein Vereinssprecher unter anderem von 16 Krankenhausbetten, Baby- und Kinderkleidung, die in die Sowjetunion gebracht worden seien. Und zwischen den Moskauer Stadtdeputierten und der Stuttgarter Stadtverwaltung sei ein „Austausch“ von Personen vereinbart worden, die sich dann im Bereich Jugendarbeit oder Müll weiterbilden könnten. Zumindest das letztgenannte ist glatter Schwindel. Zwar war Mitte Juni Dieter Duhm persönlich in Stuttgart vorstellig geworden, ein fest vereinbartes Projekt konnte aber in der Stadtverwaltung keine Menschenseele bestätigen. Derartige Projekte, so hieß es dort, würden nur auf direkten Wunsch Moskaus vereinbart.