Die Grünen strampeln sich zur Einigkeit

■ Unter dem Druck gesamtdeutscher Wahlen wollen Grüne (West) und Bürgerbewegungen (Ost) Zusammengehörigkeit demonstrieren / Bundesvorstand lehnt „Aufbruch„-Kongreß zum „deutschen Umbruch“ nicht mehr grundsätzlich ab

Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Der Einigungsdruck im Vorfeld der gesamtdeutschen Wahlen schließt bei den bundesdeutschen Grünen manch tiefen Riß. Jüngstes Beispiel: Das Gerangel um einen für den 1.September in Bonn geplanten Kongreß „Die Grünen im deutschen Umbruch“ wird aus Gründen der Parteiraison vermutlich schon in den nächsten Tagen beigelegt. Nachhutgefechte schließt das nicht aus.

Die Kongreß-Initiatoren aus dem Kreis der „Aufbruch„-Gruppe um die Bonner Fraktionssprecherin Antje Vollmer sehen in dem streng paritätisch mit prominenten VertreterInnen der Grünen und der Bürgerrechtsbewegungen aus Ost und West besetzten Treffen eine Möglichkeit, den schwierigen Bündnisverhandlungen insbesondere mit den Bürgerrechtsbewegungen in der DDR neue Schubkraft zu verleihen. Schon die beiden Tagungsforen mit den programmatischen Forderungen „Ökologie jetzt!“ und „Demokratie jetzt!“ sollen offenbar in der Öffentlichkeit die inhaltliche Zusammengehörigkeit der Grünen und der Bürgerbewegung in der DDR verankern. Diese Allianz sei notwendig, heißt es in einem inzwischen auch von prominenten Realos unterzeichneten Kongreßaufruf, weil die ökologische Bewegung und die Bürgerinitiativen „entscheidende Kräfte für die Erneuerung der Gesellschaften im Westen wie im Osten“ darstellten. Eine möglichst frühzeitige Abgrenzung und Profilierung der angestrebten deutsch-deutschen Formation auch gegen eine nach Westen strebende PDS ist offenbar das Hauptanliegen der Initiatoren des Kongresses: „Wir wollen den Dialog, und wir brauchen ihn jetzt, um Kohl, Lafontaine und Gysi nicht das Feld zu überlassen.“

Der Bonner Bundesvorstand der Grünen und Teile der Bundestagsfraktion um die Abgeordneten Christa Vennegerts und Hubert Kleinert begleiteten die Vorbereitungen zu der geplanten Veranstaltung mit tiefem Mißtrauen. Man befürchtete - noch unter dem Eindruck der Spaltungsdiskussion im Vorfeld und während der Hagener Bundesversammlung Anfang Juni - Abgrenzung vor allem gegenüber den politischen Kontrahenten innerhalb der Partei und eine Instrumentalisierung der DDR-Bürgerrechtsbewegung für die innerparteiliche Auseinandersetzung.

Auch Bundesvorstandssprecher Christian Ströbele unterstellt den Kongreßinitiatoren eine ursprünglich auf innerparteiliche Profilierung ausgerichtete Konzeption. Der Vorstand gehe jetzt aber davon aus, daß „das nicht mehr so ist“. Grüne und Bürgerbewegungen müßten „sinnlich wahrnehmbar machen, daß wir zusammengehören“. Das hinderte den Bundesvorstand allerdings nicht, noch am Mittwoch die Verschiebung der Veranstaltung auf einen Termin nach der geplanten Bundesversammlung der Grünen am 22./23.September zu verlangen. Bei diesem Treffen wollen die Westgrünen bereits eine zuvor mit der DDR-Seite auszuhandelnde Wahlplattform verabschieden. In einem Schreiben der Vorstandssprecherin Heide Rühle wünscht der Bundesvorstand, im Ton eisig, in der Sache moderat, „gutes Gelingen für die Tagung nach unserer Bundesversammlung“.

Die InitiatorInnen der Tagung haben eine Verschiebung inzwischen aus organisatorischen und inhaltlichen Gründen abgelehnt. Mit Blick auf die SPD-Listenplatzangebote für prominente Vertreter der Bürgerrechtsgruppen in der DDR heißt es in einem von Antje Vollmer, Udo Knapp und Bernd Ulrich unterzeichneten Antwortschreiben, ein „besseres Mittel gegen die Instrumentalisierungsversuche anderer Parteien als die gemeinsame öffentliche Diskussion“ sei gar nicht denkbar. Ein vom Bundesvorstand für dasselbe Wochenende geplantes Treffen von Mandatsträgern und Vorständen aus Ost und West lasse sich durchaus mit der Tagung kombinieren. Dabei könne die gemeinsame Diskussion „in Richtung konkreter Wahlplattform“ weitergeführt werden.

Das sieht der Bundesvorstand inzwischen wohl ähnlich. Es gebe „überlegungen“, die Tagung und das vom Vorstand vorbereitete Ost-West-Meeting nicht als „Konkurrenzveranstaltungen“ erscheinen zu lassen. Allerdings will der Bundesvorstand das Treffen mit den OstkollegInnen in der Nähe eines Militärobjekts und nicht in Bonn steigen lassen. Der 1.September ist Antikriegstag, traditionell ein Datum, an dem auch die Grünen Antimilitarismus demonstrieren. Zu einer „gemeinsamen Veranstaltung“ werde es deshalb voraussichtlich nicht kommen, glaubt Bundesvorstandsprecher Ströbele.