Berlin: „Peace now“ statt Schieß now

■ Kreuzberger Drucker korrigierte, pazifistisch, das Titelblatt einer Berliner US-Soldatenzeitung

West-Berlin (taz) - Kurz vor Mitternacht konnte der 39jährige Drucker und Fotograf Bernd Markowsky nicht mehr an sich halten - er griff kurzerhand zum Korrekturstift. Was nun folgte, war verboten, eine glatte Kündigung wert und ein klarer Fall von angewandtem Pazifismus. Auf die vor ihm liegende Druckplatte der Soldatenzeitungs-Titelseite des Westberliner „U.S.Command“ ätzte Markowsky am vergangenen Donnerstag unüberlesbar „peace now“.

Zwei kleine US-Pfadfinder, die begeistert und fachmännisch mit der Kinder-Winchester schießen - dieses Titelfoto des 'Berlin Observer‘ wollte Markowsky nicht unkommentiert durchgehen lassen: „Ich sah das Ding und hatte mich schon entschieden: das will ich nicht, das kann ich nicht.“ Kurz habe er noch daran gedacht, die Arbeit einfach zu verweigern, entschloß sich aber anders: „Sonst wäre doch der Auftrag nicht fertig geworden und auch nicht bezahlt worden.„Markowskys „Frieden jetzt!“ blieb unbemerkt, vielleicht auch, weil er so gut in die Zeiten von Blockaufweichung und Feindbildzerfall paßt. Die gesamte Auflage von 7.000 Exemplaren wurde am vergangenen Freitag an die US-Soldaten in West-Berlin verteilt. Innendrin mit netten Geschichtchen über „Volksfest Attractions“ und Softball und mit einer Titelstory über das Pfadfindercamp der Soldatenkids. Überschrift: „Hier lernen Sie die Werte und das Handwerk“ - natürlich das des Schießens. Auch das hiesige Public Affairs Office der US-Streitkräfte bestätigte gestern schriftlich die Manipulation auf dem Titelblatt der wöchentlich erscheinenden Zeitung, sie sei „nicht aus dem Verteiler genommen worden“. Die Amerikaner gaben sich in ihrer Stellungnahme gegenüber der taz souverän: „Während die Worte 'peace now‘ für uns kein Problem ausmachen, ist uns jedoch die mangelnde Qualitätskontrolle ein Anliegen sowie die Tatsache, daß wir ein Produkt erhalten haben, das wir nicht bestellt haben. Wir diskutieren dieses Problem mit der Qualitätskontrolle der Druckerei.“ Die beauftragte Kreuzberger „Movimento-Druckerei“, derart unter Druck geraten, ließ dem friedensliebenden Mitarbeiter Markowsky gestern die Kündigung ins Haus flattern: „aus bekannten Gründen“. Chef Möllerinck drückte das laut Markowsky mündlich folgendermaßen aus: Der „betriebsschädigende Vertrauensbruch“ habe zu „nicht bezifferbarem Schaden“ geführt. Markowskys Juli-Lohn wurde nach seinen Angaben auch gleich einbehalten. Möllerinck sagte der taz gestern, daß „eine Geschichte über den Fall nicht im Interesse der Linken“ liege. Schließlich sei 'Movimento-Druck‘ Linken -freundlich und in der Studentenbewegung entstanden.“

Markowsky, der aus Jena stammt und vor 13 Jahren nach West -Berlin kam, meinte zu seinem Korrektur-Entschluß: „Ich kann mich doch nicht jahrelang in der DDR für die geistige Öffnung eingesetzt und gegen das Militär engagiert haben und jetzt so was mitmachen.“ Nur konsequent, denn der Mann hatte die DDR nicht freiwillig verlassen. Der Rausschmiß aus dem real existierenden Sozialismus war seinem Engagement gegen die Biermann-Ausbürgerung im Jahre 1977 geschuldet. Markowsky hatte in Jena im pazifistischen „Arbeitskreis Literatur“ mitgearbeitet, der Unterschriften gegen den Rausschmiß des Sängers sammelte. Kurz vor dem Prozeß wegen „Gruppenbildung“ wurde Markowsky nach fast zehnmonatiger U -Haft nach West-Berlin abgeschoben.

Hans-Hermann Kotte