Gottes-Verstecke, Suchbilder

■ Wenn Pastor Schulenberg auf die Kanzel steigt, nimmt er die Säge mit

Das kleine Kirchlein der Remberti-Gemeinde in Schwachhausen, zwischen Aldi und Riensberger Friedhof, gehört zu den aufregendsten in ganz Bremen. Das hat nichts mit seiner Baukunst zu tun, und auch nichts mit der inwendig gepflegten Orgelkunst. Nein, die Werte äußerer Repräsentanz, sie werden in St. Remberti gering geachtet. Die Orgel tönt eher dünn und heiser und dem Kantor an ihrem Spieltisch wird gern nachgesehen, wenn er die chromatischen Läufe einer Bach-Fuge zu einem wimmer-klappernden Tonschmier verarbeitet.Nein, etwas anderes unterscheidet den Schwachhauser von anderen Bremer Kirchsprengeln. Keine Bremer Gemeinde arbeitet allsonntäglich so hartnäckig an ihrer eigenen Abschaffung wie St. Remberti und in keiner ist gott- nd selbstgefällige Genügsamkeit fröhlicher Kirchgängerei so gefährdet wie hier. Wer sich in das schmucklosen Tonnengewölbe mit den schlichtschönen Fenstern verirrt, um sich hier seine sonntägliche Dosis wochenbegleitender Gewißheiten abzuholen, wird enttäuscht.

Pastor Meinrad Schulenberg ist kein Verkünder religiöser Wahrheiten, die Geborgenheit zum biblischen Billigtarif liefern könnten. Schulenberg ist ein Grübler und Zweifler, der die Kanzel nur besteigt, um nach Kräften an ihrer Macht zu sägen. Gib ihm Jesaja, das 40. Kapitel, gib ihm den 1. Petrus-Brief, gib ihm, was immer du magst - es wird ihm alles in die eine Erkenntnis ausschlagen, daß die Menschen heutigentags auch ganz gut ohne Gott, Kirche und Bibel durchs Leben kommen. Mit solcher Selbstverständlichkeit behelligt er die Gemeinde mit seinen inneren Zweifeln, daß einem ganz Angst bange werden müßte beim Gedanken, daß es einen kirchlicher Würdenträger kontrollierend in seinen Gottesdienst verschlagen könnte (was im Bremer Kirchenrecht Gott sei Dank nicht vorgesehen ist).

Die Kirchenlieder des Gesangbuchs z.B. findet Schulenberg von der Kanzel runter heute „häufig kaum noch zumutbar“, die kanzelabgekündigten Gottesbilder schlicht von „gestern und vorgestern“ und von der Institution Kirche nimmt er laut denkend schon mal an, daß sie den Menschen Gott eher austreibt als glauben lehrt. Ja selbst Zweifel an der Autorität der Bibel erlaubt sich Schulenberg. Zur Schöpfungsgeschichte fällt ihm z.B. ein, daß sie eigentlich nichts als ein Kompilation aus vorchristlichen Naturreligionen sei: „Ich hab da meine Zweifel, ob wir diesen Anfang Gott nennen sollen.“ Und: „Gott ist keine unveränderliche Größe, Gott verändert sich in Geschichte.“

Das grenzte nun doch fast an Gotteslästerung und Ketzerei, wenn Schulenberg nicht bei aller skeptizistischer Vergrübeltheit doch ein Gottsucher wäre, allerdings ein auch sehr diesseitiger und gegenwärtiger. Gott. „Gott ist das, was sich zwischen Menschen ereignen kann“. Und auch das klingt schon wieder ein bißchen grundvoll trost -los.

Klaus Schloesser