: Atomkonzerne: Das große Fressen
■ Preußenelektra stellt alten Vertrag zur Einverleibung des DDR-Energiemarktes mit kosmetischen Änderungen vor / Übernahme jetzt in zwei Etappen / Kritiker: Ökologische Katastrophe
Berlin (taz) - Die Komplett-Übernahme des DDR -Energiemarktes durch das westdeutsche Konzern-Monopol von RWE, Bayernwerke und Preußenelektra wird vehement vorangetrieben. Ungeachtet der Proteste aus der Volkskammer, von Kartellbehörden und allen Umweltverbänden sind die Atomkonzerne jetzt, wie 'ap‘ meldet, grundsätzlich „vertragseinig“ mit der DDR-Regierung, deren Umweltminister Steinberg die Verhandlungen geführt hat.
Preußenelektra stellte am Samstag in Hannover die Eckpunkte der neuesten Fassung ihres Übernahmevertrages vor, der gegenüber den früheren Versionen aber nur kleinere Korrekturen enthält. Wichtigste Punkte: Die Einverleibung des DDR-Energiemarktes geschieht jetzt in zwei Etappen, und eine Kapitalbeteiligung auch anderer bundesdeutscher und westeuropäischer Energiekonzerne soll offengehalten werden. Ob mit diesem Zugeständnis der Segen der Kartellbehörden zu erhalten ist, die sich bislang gegen die Übernahme sträuben, ist allerdings weiter offen. Der Westberliner Kartellamtspräsident Kartte unterstrich am Sonntag nochmals seine Vorbehalte: Die geplante Übernahme sei ein „Schulbeispiel, wie es nicht sein darf“.
Preußenelektra nannte erneut den Betrag von 2,6 Milliarden Mark, den die drei Konzerne als „Sofortmaßnahme“ zur Modernisierung der ostdeutschen Stromversorgung investieren wollen. Nach dem jetzt von der Konzern-Troika mit dem Umweltministerium ausgehandelten Vertrag will man in einem ersten Schritt das Managment bei den regionalen Energieversorgern in den 15 DDR-Bezirken übernehmen. Dabei wird der DDR-Kuchen in drei Stücke aufgeteilt: RWE übernimmt den Südosten, Preußenelektra den Norden und die Bayernwerke den Südwesten. Die übergreifenden DDR-Verbundgesellschaften „Vereinigte Kraftwerke AG Peitz“ und die „Verbundnetz AG“ will man gemeinsam führen. Neben der „Besorgung des Managements“, die nichts anderes ist als die Übernahme der Geschäftsführung, soll in einer „zweiten Phase“ die direkte Kapitalbeteiligung erfolgen. Preußenelektra verschwieg am Samstag die Höhe dieser Beteiligung. Eine Mehrheitsbeteiligung gilt allerdings als sicher. Auch der zeitliche Fahrplan zur Sicherung der Kapitalmehrheiten wurde nicht genannt. Außer einer Beteiligung anderer westdeutscher und europäischer Konzerne sollen sich auch Gebietskörperschaften der DDR beteiligen könne, hieß es in der Erklärung von Preußenelektra. Dies ist offenbar ein Zugeständnis an die kartellrechtliche Debatte und an die Proteste der übrigen Energieversorgungsunternehmen. Als Antwort auf die harsche Kritik an ihrem „Eroberungsfeldzug in der DDR“ (Öko-Institut Freiburg) wies der Konzern außerdem mit treuherzigem Augenaufschlag darauf hin, daß die Initiative zur „Neuordnung des DDR-Energiemarktes“ von der DDR-Regierung ausgegangen sei.
Der Berliner Energieexperte Lutz Mez, der mit der Forschungsstelle der FU Berlin selbst ein Energiekonzept für die DDR vorgelegt hatte, griff die Übernahmepläne erneut scharf an: Es sei eine Frechheit, wenn jetzt von der Preußenelektra der alte Vertrag mit einigen kosmetischen Korrekturen neu präsentiert werde. Die großen BRD-Konzerne würden die dringend notwendige Modernisierung der DDR -Energieversorgung auf Jahrzehnte verhindern. Ihre Strategie sei nicht die Stillegung der maroden Kraftwerke, sondern ihr Weiterbetrieb mit nachsorgendem Umweltschutz. Diese Strategie werde sich für die Konzerne betriebswirtschaftlich rechnen, sei aber volkswirtschaftlich und ökologisch eine Katastrophe, sagte Mez. Die DDR werde damit auf dem katastrophalen Stand ihrer Kraftwerkstechnik festgeschrieben, ohne schnellen Zugang zu neuen modernen Energietechniken. Das RWE werde darüber hinaus schon aus Eigeninteresse den Strom-Anteil aus Braunkohle hochhalten. Mez wies daraufhin, daß die nachträgliche Entschwefelung, Entstaubung und Entstickung der DDR-Kraftwerke mindestens 30 Milliarden Mark kosten werde.
Manfred Kriener
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