Kompromiß im Sperrklausel-Streit

■ Bonner Parteien wollen Fünfprozenthürde erhalten, aber Listenverbindungen zulassen / Ein Kompromiß gegen die PDS / DDR-Premier de Maiziere will die länderbezogene Fünfprozenthürde

Bonn/Berlin (dpa/afp/taz) - Im Streit um den Wahlmodus für das erste gesamtdeutsche Parlament am 2.Dezember steuern CDU, CSU, SPD und FDP in Bonn offenbar auf eine Kompromißlösung zu: Politiker aller vier Parteien befürworteten am Wochenende eine Fünfprozentklausel für das gesamte Wahlgebiet und die einmalige Möglichkeit von Listenverbindungen. Demgegenüber favorisiert DDR -Ministerpräsident Lothar de Maiziere eine länderbezogene Sperrklausel.

Die jetzt angepeilten Listenverbindung eröffnet kleineren Parteien und Gruppierungen, die alleine an der Fünfprozenthürde scheitern würden, mit Hilfe eines Partners ins Parlament einzuziehen. Das würde sowohl der CSU -Schwesterpartei DSU als auch den Bürgerbewegungen nützen. Auch die DDR-SPD hatte sich am Freitag für diese Lösung im Wahlrechtskonflikt ausgesprochen. Dennoch bleibt die SED -Nachfolgerin optimistisch: Selbst wenn sie an der Fünfprozenthürde scheitert, kann sie sich über den Gewinn von drei Direktmandaten das parlamentarische Überleben sichern. Nach einer Hochrechnung von „Infas“ könnte die PDS zudem mit fünf Prozent ins erste gesamtdeutsche Parlament einziehen, wenn sie in der ehemaligen DDR 16 Prozent und in der BRD zwei Prozent erhält. Die Zulassung von Listenverbindungen würde eine Änderung des Bundeswahlgesetzes notwendig machen. Die Bonner Koalitionsparteien wollen am Dienstag eine gemeinsame Entschließung für eine Wahlrechtsänderung erreichen. Bereits heute will Innenminister Schäuble mit seinem DDR-Pendant Diestel über den Wahlvertrag zwischen beiden deutschen Staaten verhandeln der in Parlamentssondersitzungen am 8. August beschlossen werden soll.

Der Parlamentarische Geschäfsführer der SPD -Bundestagsfraktion, Helmuth Becker, setzte sich ebenfalls für die Listenverbindungen ein. Diese Lösung habe den Vorteil, erklärte der SPD-Mann, daß die SED-Nachfolgepartei PDS nicht ins gesamtdeutsche Parlament käme. Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) äußerte sich skeptisch gegenüber der Zulassung von Listenverbindungen. Im RIAS rechtfertigte noch einmal seinen Vorschlag für eine länderbezogene Klausel mit dem Hinweis, daß die Grünen bei einer einheitlichen 5-Prozent-Klausel an die Grenze der parlamentarischen Existenz gebracht werden könnten.

Der frühere Juso-Chef und Parteilinke Norbert Gansel, heute Vorsitzender des Parteirates, warnte die SPD davor, sich auf eine Herabsetzung der Fünfprozenthürde und eine länderbezogene Sperrklausel einzulassen. In der 'Frankfurter Rundschau‘ sagte er, hinter solchen Absichten stecke „das Kalkül, der PDS den Einzug ins Parlament zu ermöglichen, um die Sozialdemokraten auf Dauer zu schwächen“. Auch der FDP -Vorsitzende Lambsdorff signalisierte Konsensbereitschaft für die „Fünfprozentklausel plus Listenverbindungen“. DDR -Innenminister Diestel, früher DSU-Mitglied, sprach sich am Wochenende für ein Wahlrecht aus, mit dem sich „ein politisches Überleben der DSU garantieren“ lasse. Diestel jedoch plädiert wie sein Chef de Maiziere für die länderbezogene Sperklausel. Siehe Seite 10