Bremen für RollstuhlfahrerInnen

■ Behinderte testen Behörden, Kinos, Restaurants

Stellen Sie sich vor, Sie können nur einkaufen, wenn jemand die Drehkreuze im Supermarkt aus den Angeln hebt, damit Sie in den Laden kommen. Oder Sie sind im Zentrum und können nirgends aufs Klo gehen, ohne, daß jemand Sie reinträgt. In den Zellen hängen die Telefone unerreichbar und Straßenbahnen haben Sie nie von innen gesehen; sie sind nämlich nicht für Sie konstruiert.

Für alle, deren Alltag so aussieht, gibt es ein überaus nützliches Handbuch: Den Stadtführer für behinderte Menschen.

Zwei Jahre lang hat ein Rollifahrer öffentliche Gebäude in Bremen abgeklappert und auf ihre Behindertenfreundlichkeit getestet. Ergebnis: Von den 969 in den Führer aufgenommenen Einrichtungen sind nur ein Drittel für Behinderte zugänglich. Alle sind samt Telefonnummer und Adresse kurz beschrieben und mit Symbolen auf einen Blick zu prüfen: Liegt der Eingan ebenerdig, wieviele Treppenstufen gibt es,

gibt es eine Rampe und wie steil ist sie? Nach Farben am Blattrand geordnet sind Verkehrsmittel, Bildungs-, Kultur-, und Freizeiteinrichtungen , Cafe's und Restaurants, Kaufhäuser und Supermärkte, öffentliche Einrichtungen und Behörden aufgeführt. Zusätzlicher Effekt der Tesfahrten: Vor Ort wurden die Verantwortlichen jeweils auf die Probleme hingewiesen. „Es ist schon paradox, daß diejenigen, die uns behindern uns Behinderte nennen,“ meint Henry Meyer vom Verein „Autonom leben“.

In ganz Bremen gibt es nur ein einziges Kino, das RollstuhlfahrerInnen alleine besuchen können: die Gondel. „Das Cinema können E-RollifahrerInnen getrost vergessen'seit dort eine treppen-bewehrte zweite Ebene im Vorraum installiert worden ist. Obwohl wir das denen noch gesagt haben, als sie das bauten,“ meint Meyer. Auch das Lagerhaus Schildstraße ist für Behinderte dicht: „Der Stadt ist es zu

teuer, 25.000 Mark für eine schneckenförmige Rampe auszugeben, damit das Lagerhaus für Behinderte errreichbar wird.Insgesamt, so der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Horst Frehe, der selbst auf den Rollstuhl angewiesen ist, fehlt eine systematische Berücksichtigung der Bedürfnisse Behinderter bei der Planung des öffentlichen Nahverkehrs oder des Wohnungsbaus. Der Stadtführer dagegen habe seine Aufgabe, Behinderten die Orientierung zu erleichtern, bewiesen. Auch politisch erfülle er eine wichtigeunktion: Amerksam zu machen und hinzuweisen auf die unzähligen und alltäglichen Rücksichslosigkeiten gegenüber Behinderte in Bremen.

gürt

Der Stadtführer kann bezogen werden bei der Landesarbeitgemeinschaft „Hilfe für Behinderte“ Bremen e. V., Waller Heerstraße 55, Telefon 38 30 66, gegen eine Schutzgebühr von dreiark plus Versand zwei Mark vierzig.