Trotz Rot-Grün: Knackis müssen weiter leiden

■ Isolation, 120 Mark Lohn und „Dealer frei Haus“

Tegel. Die zwei Gefangenen, die Mitte des Monats auf das Dach des Tegeler Knastes (1.100 Haftplätze) gestiegen waren, kritisierten gestern zusammen mit der Gesamtinsassenvertretung den SPD/AL-Senat. Die Haftbedingungen hätten sich seit Regierungsantritt so gut wie nicht verbessert.

Weil es an Sozialarbeitern und an Freizeitangeboten mangele, bleibe nur das Fernsehprogramm - und die Drogen. Etwa 300 Gefangene seien heroinabhängig, 250 hätten sich durch den Mangel an Spritzen mit Aids infiziert. Um den Dealern, die im Knast „frei Haus“ kämen, das Geschäft zu vermasseln, schlagen die Vertreter vor, daß vor und nach Besuchen die Gefangenen intensiv kontrolliert werden sollten, wenn dafür die unnötig gewordene Kontrolle der Besucher entfalle.

Die Gefangenen bemängelten weiter, schlecht auf ihre Entlassung vorbereitet zu werden. Manche hätten vorher keinen Tag Urlaub gehabt und hätten sich deshalb weder um einen Arbeitsplatz noch um eine Wohnung bemühen können. Einig ist sich die Justizverwaltung mit der Insassenvertretung in dem zu geringen Lohn für Gefangene: 120 Mark monatlich ohne Rentenversicherung. Aber eine Erhöhung würde an den Länderfinanzministern scheitern, erklärte Christof Flügge von der Justizverwaltung gestern. Er sagte auch, daß die Verteilung von Spritzen illegal und eine verschärfte Kontrolle der Gefangenen rechtlich nicht möglich sei. Er kündigte an, daß ab August für etwa 60 Gefangene die Langzeitsprechstunde eingeführt werde. Sie könnten bis zu sechs Stunden mit Angehörigen unbeobachtet reden, Intimkontakte seien möglich. Die Sprechstunde gibt es in der Bundesrepublik in nur zwei Gefängnissen und werde dort restriktiver gehandhabt. In Tegel haben auch Freundinnen eheänlicher Verhältnisse Zutritt, so Flügge. Ab August werden die 15 „drogenfreien“ Haftplätze auf 30 aufgestockt. Sie sind für Knackis, die von Dealern und Drogen wegkommen wollen.

diak