Der DFF - die letzte Bastion des Bösen?

■ Kleiner Zensurfall im Programm oder: Wie in den neuen DDR-Fernsehanstalten der Stalinismus bewältigt wird

In der taz-Ausgabe vom 28. Juli wurde die Westberliner Satiriker-Truppe Die Höhnende Wochenschau (HWS) als Textbeiträger für die DFF-2-Sendung Tops und Flops angekündigt. Die taz-LeserInnen wurden enttäuscht: Nach zwei Kamera-Proben waren die Vertreter hinterfotzigen Humors noch zuversichtlich, ihre kulturpessimistische Gülle über Max Schautzer, die Währungsunion und Manfred Krug kübeln zu dürfen. Kurz vor der Sendung wurde der Stänker -Truppe dann die Absetzung ihres Live-Beitrages mitgeteilt; dabei war die HWS schon in der ersten Tops und Flops -Sendung (31.3.) aufgetreten; wohlgemerkt vor der Wirtschafts- und Währungsunion.

Das kleine anarchische Intermezzo wurde damals im Kielwasser einer auf Grund laufenden „Revolution“ möglich mit all ihren Unsicherheiten, Improvisationen und - wie gehabt - Nischen. In der ersten Show konnte die HWS unzensiert auftreten: keine vorherige Abgabe des Manuskripts, keine Eingriffe in den Text, nicht einmal Sprechproben vor dem Live-Auftritt. Die Redakteure der Show waren damals begeistert und meinten offenbar, die HWS könne in dem bunten Unterhaltungs-Eintopf der Show „Das Böse als Beilage“ repräsentieren.

War in der ersten Show die HWS noch das einzig Originelle, das man dem Westfernsehen wirklich voraushatte, so beherrscht nun der dreimal vorgekaute Unterhaltungsbrei uneingeschränkt den Speiseplan. Billig-Entertainment und Spießer-Erotik sollen - rührend naive Illusion - eine Westshow de Luxe liefern. Die alte Krankheit: den Westen imitieren und ihn auf seinem ureigensten Gebiet schlagen wollen. Immerhin, man ist lernfähig: „Früher“, sagte Ende März schon eine Redakteurin, „spielten Einschaltquoten überhaupt keine Rolle, heute sind sie das Einzige, was zählt!“

Den plötzlichen Maulkorb für die HWS wollte niemand so recht verantworten; man bemühte die einfältigsten (und noch dazu mangelhaft aufeinander abgestimmten) Notlügen. Redakteurin G. war sichtlich verlegen - immerhin hatte sie eigenhändig eine erste Fassung des Manuskripts abgenommen. „Wir müssen leider die Show um ein paar Minuten kürzen, und das geht bei den anderen Beiträgen schlecht!“ Gemeint waren Max Schautzer, 100,6-Plappermann Gregor Rottschalk, dümmliche junge Menschen, die bei der Wahl zum „Gesicht 90“ gewonnen hatten, und andere Titanen des Kulturolymps. Redakteur C.: „Ja, früher, bei uns drüben, da hätten Sie sich in so einem Fall an irgendeinen Oberen gewandt, den Sie zufällig kennen - und wir hätten es senden müssen! Heute wird das eben von uns kollektiv entschieden!“

Nach fünfzehn Bier und mehreren Joints erschien uns an der Bar des Drehortes „Joe am Wedding“ Karl Eduard von Schnitzler. Grollend sah er durch die Einweckgläserbrille, baute sich schräg zur (gedachten) Kamera-Achse auf und höhnte: „Ach ja! So stellen Sie sich also die Rundfunkfreiheit vor, die frischgebackenen öffentlich -rechtlichen Lakaien des Monopolkapitals! Früher also, so hörten wir, durfte sich das Zensur-Opfer noch beschweren: Wer vom Redakteur keine Erlaubnis bekommen hatte, Honecker und Mielke anzupinkeln, brauchte sich nur bei den 'Oberen‘ zu beschweren; die leiteten die Eingabe an Honecker und Mielke weiter - und dann aber Gnade Gott dem zensierenden Redakteur!“ Wir stimmten ihm zu und zahlten ihm ein Bier; es wurde dann noch sehr nett.

Tops und Flops, sagte uns Redakteur C . weiter, sei „eine Unterhaltungssendung, die HWS dagegen eher etwas für Intellektuelle!“ Diesen Dualismus kannten wir irgendwoher zumal unser Beitrag wohl eine fernsehunübliche Schärfe, aber nichts Elitäres oder sonstwie Publikumsfernes hatte. Dem Regisseur war alles egal, solange die Kiste nur lief. „Formal und inhaltlich unzulänglich“ befand er - mit Argumenten wollte er dieses Urteil wohl weniger begründen.

Daß wir uns insgesamt wenig maxschautzerhaft aufführten, schien besonders ihm gegen den Strich zu gehen; freudig widmete er sich wieder den Stars des Abends, zwei tonnenschweren Volksjodlern, die fortwährend damit drohten, ihre Nachbarin unter sich zu begraben („Frau Nachbarin, Du bist a Sünde wert“).

Und mit genau diesen Vertretern der wirklichen „Unterhaltung“ wollen wir die Tops- und Flops-Leute ab sofort auch alleine lassen. Den vorauseilenden Gehorsam gegenüber den künftigen Arbeitgebern unterstellen wir diesen Banausen mit Vergnügen.

Die Höhnende Wochenschau