NETT KING KOHL

■ Warum wandelt der Kanzler über dem Wolfgangsee?

VON MATHIAS BRÖCKERS

Kohl im Glück“ titelt der 'Stern‘, „Glückwunsch, Kanzler!“ bekundet 'Spiegel'-Chef Augstein, „Ist Kohl doch genial?“ fragt die 'Bunte‘ - was ist passiert? Ist der plumpen Pfälzer Raupe ein strahlender Kohlweißling entschlüpft, der vom Wind der Geschichte ins Walhalla der Staatenlenker empor gehoben wird? Wurde Birne als politisches Früchtchen notorisch unterschätzt? Verbirgt sich hinter Black-Outismus, rethorischer Diarrhöe und chronischem Aussitzen etwa eine Weisheit, deren Dimension kaum jemand auch nur erahnt - die hohe Zen-Kunst des einfachen Sitzenbleibens, die taoistische Erkenntnis, daß das Eigentliche ohnehin nicht in Worte zu fassen und somit verbale Brillanz unwichtig ist, sowie die avancierte Meditationstechnik des Nicht-Denkes und Spontan -Vergessens, auf daß der erhabene Hohlraum des Geistes nicht von Unwichtigem verstopft werde? Übergab der Lotse Helmut Schmidt das Ruder dieses unseres Staatsschiffes an einen Laotse Kohl, ohne zu ahnen, daß in ihm ein teutonischer Dalai Lama heranwächst, ein Würdenträger, dessen enigmatische Erhabenheit einen Groß-Staatsmann wie Mao so klein erscheinen läßt wie ein Bonsai-Broccoli neben einem prämierten Kohlkopf? Ist es nicht an der Zeit, den simplen Oggersheimer Buben über das Niveau eines Doktors und Ehrendoktors hinaus endlich so zu promovieren, wie es seinem seltenen Gewicht entspricht? Gebührt dem Manne, über ein bescheidenes Helmut von Kohl (oder ein dezentes „von Kohlsäcker“) hinaus, nicht ein wahrhaft würdiger, die ganze Dimension des Gesamtstaatskunstwerks umfassender Titel, der noch fernen Generationen von Kindern einst so geläufig sein wird wie allen Karl May- Lesern der wackere Hadschi Halef...?

Etwa: Seine Allprächtigkeit Helmut Ritter von Kohl zu Oggersheim, Mega-Mufti und Euro-Mogul der allgermanischen Reichssiegelbewahrer, multilateraler West-Ost-Wesir und hochmögender Sultan-Radscha des Einheits-Generalsekretariats im ZK der ARD/ZDF, spätgeborener Aussitzer vom Heiligen Sitzfleisch und erlauchter Zieher des großen Schlußstriches unter jedwede Vergangenheit, Pfalz-Papst von Gottes Gnaden und Ehren-Ayatollah von Sachsen-Anhalt, Kohl-Rabbi von Jerusalem und Biber von Eschnapur, Allweiser und Erleuchteter Friedensstifter mit immer mehr Waffen, Groß -Exterminator der Mauer, Bezwinger des Sozialismus und Erretter des Vaterlands, magischer Beeinflusser galaktischer Geschicke und lokaler Lappalien, Ordner des Chaos und Wächter der hermetischen Hackordnung, Hoch- und Deutschmeister der Bundesnebenverdienstkreuzträger, strahlende Hoffnungssonne aller Semi-Intellektuellen und Dummbeutel...

Apropos: Ist etwa die derzeitige Himmelfahrt des Helmut K. (60) vielleicht nichts anderes als die Aktualisierung eines Mythos, wie er uns in den deutschen Volksmärchen überliefert ist - in Form des Dummlings, des Zukurzgekommenen und Minderbemittelten, der am Ende die goldene Gans nach Hause trägt? Es scheint in der Tat, als würde hier nur das alte Sprichwort inszeniert: „Der dümmste Bauer erntet die dicksten Kartoffeln.“ Von wegen „genial“ - auch ein noch so prächtiger Titel würde überhaupt nichts nützen, im Gegenteil: „Guck mal, der Kanzler läuft über den Wolfgangsee.“ - „Typisch Kohl, nicht mal schwimmen kann er.“ WARUM WANDELT DER KANZLER ÜBER DEM WOLFGANGSEE?