Sehnsucht nach dem Verein

■ Zum Wahlbündnis „Linke Liste/PDS“

Was am Wochenende in Köln als „Linke Liste/PDS“ gegründet wurde, dürfte mehr sein als eine Eintagsfliege. Auf der Versammlung hat sich erneut manifestiert, daß in der westdeutschen Linken jenseits der SPD und diesseits der „radikalen Linken“ ein tiefes Bedürfnis nach einem Verein existiert, der die hehre sozialistische Idee auf seine Fahnen schreibt. Diese Linke einen die Kritik am Bestehenden und die Abneigung, das Ausmaß der realsozialistischen Katastrophe überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Diese Linke baut schon wieder auf, schreitet mit großen Worten schon wieder voran, obwohl die Gründe des Zusammensturzes noch nicht einmal annähernd reflektiert sind. Diese Linke, die die klare Sprache der Kritik so liebt, sobald es um Kritik am Kapitalismus geht, bleibt immer dann konfus, wenn es darum geht, für ihre mit Verve vorgetragenen Ansprüche und Ziele instrumentelle Politikkonzepte zu benennen. Deshalb bleiben die Grenzen und Möglichkeiten des eigenen Politikansatzes auch regelmäßig im dunkeln.

Daß nach dem Abschied vom Konzept der avantgardistischen Klassenpartei letztendlich nur noch reformistische Strategien bleiben, sehen die meisten wohl, allein, es auszusprechen, fällt schwer. In der Substanz wurde in Köln eine stinknormale, linke Reformpartei gegründet, was auch durch radikale Posen nicht lange verdeckt werden kann. Diese Partei wird schnell mit den gleichen Zwängen konfrontiert, wie etwa die Grünen. Das Neue in Köln war, daß diesmal Parteien und Gruppierungen vorgaben, etwas gemeinsam auf die Beine stellen zu können, die sich in der jüngsten Vergangenheit noch erbitterte Fehden lieferten. Langjährige DKP-Führungsmitglieder gehören ebenso dazu wie jene Erneuerer, die von denselben Personen noch vor ein paar Monaten aus der DKP herausgetrieben worden waren. Überraschend auch, daß einstige grüne Apologeten der Basisdemokratie, die den Realsozialismus der SED jahrelang hart attackierten, der Nachfolgepartei PDS ohne großes Federlesen so schnell verziehen haben. Sogar einigen Sozialisten aus der SPD scheint die gewendete PDS offenbar näher zu stehen als die Bürgerbewegungen. Immerhin, diese bunte Mischung könnte Bestand haben, denn die Beteiligten wissen, daß eine neuerliche Chance, eine genuin sozialistische Kraft im künftigen Deutschland zu schaffen, so schnell nicht wiederkommt. Dabei spielt die Persönlichkeit des neuen Politstars Gregor Gysi eine wichtige Rolle. Auch wenn damit in der Substanz nichts wirklich Neues entsteht, werden die Grünen und die SPD sich auf Abwanderungen von Wählern und Mitgliedern einstellen müssen.

Walter Jakobs