Balljunge

■ Der Bundeswirtschaftsminister und die Katastrophe der DDR-Wirtschaft

KOMMENTARE

Die konzeptionelle Kompetenz des Bundeswirtschaftsministers reicht gerade dazu aus, Ost-Berlin jeden Morgen mit einem Telefax an die „Selbstheilungskräfte der Wirtschaft“ zu erinnern. Politisch ist er nicht mehr als der Balljunge, der die Bälle apportiert, die in dem Spiel zwischen grausamer Realität und der reinen Lehre der Marktwirtschaft verschlagen werden. Jetzt hat er (was er vorher im Namen der reine Lehre strikt abgelehnt hat) ein Schuldenmoratorium für sanierungsfähige und -willige Betriebe in der DDR angekündigt - nachdem praktisch die gesamte DDR-Wirtschaft in einer „Liquiditätsfalle“ steckt. Wie will man noch zwischen sanierungswillig und -unwillig unterscheiden, wenn das ganze System in Konkurs zu treten beginnt? Soweit die Realität. Und dann bekommt doch wieder die reine Lehre einen Ball: Haussman meint, daß die Sanierung der Infrastruktur in der DDR vom Privatkapital finanziert werden soll. Woher er die Einsicht nimmt, daß das Kapital besonders scharf darauf ist, Infrastrukturen zu sanieren, fragt sich der erstaunte Laie (der Fachmann wundert sich bei Haussmann nicht mehr).

Aber sind Äußerungen vom Wirtschaftsminister überhaupt von Belang? Er ist der stets hinterherhinkende Ideologe. Die gesellschaftliche Umwälzung in der DDR braucht eigentlich keinen Wirtschaftsminister, da allein der Bundesfinanzminister gestaltet. Praktisch ist das Wirtschaftssystem der DDR demnach erneut verstaatlicht. Die Bundesregierung entscheidet, welche Industriestruktur in welchem Umfang mit wieviel Arbeitern in der DDR bestehen bleiben wird. Haussmanns Äußerungen haben nur insofern Gewicht, weil heutzutage eben mit derlei optimistischem Geschwätz vom Menetekel geredet wird.

Die soziale und die wirtschaftliche Katastrophe in der DDR sind berechenbar. Die Bonner Regierung reagiert nach der Maßgabe, nach der die Ostberliner Ressorts ihre Defizite errechnen. Das ist weder rechtzeitig noch schafft es eine Voraussetzung für ein sanierungspolitisches Konzept. Es zählen die Defizite, die auch im Wahlkampf zählen. Es findet praktisch nur ein politisches Krisenmanagement mit dem Blick auf die Wahl statt, und die Regierungspolitik formiert sich zu einem großen Verleugnungszusammenhang. Dabei droht die DDR zu einer einzigen Deckungslücke zu werden: weder die Sanierung läßt sich finanzieren noch die Arbeitslosigkeit. Lafontaine hat recht, trotzdem funktioniert der regierungspolitische Verleugnungszusammenhang zusammen mit Sonnyboy Haussmann. Die Revolutionäre von rechts, die die realsozialistische Gesellschaft per Administration umwälzen wollten, einer Administration aus Kadern und Bundesbeamten, ist gescheitert. Nach der Wahl die Sintflut.

Klaus Hartung