Keine Weißmacher

■ Zur Debatte über einen gesamtdeutschen PEN

Die Idee war gut“, meint Yaak Karsunke, Mitglied des bundesdeutschen PEN-Präsidiums, „aber wir werden niemanden in einen gesamtdeutschen PEN hineinlassen, der gegen die internationale PEN-Charta verstoßen hat.“ Was aber hat man sich dabei gedacht, ehemalige DDR-Schriftsteller, die aus dem Ostberliner PEN-Zentrum ausgeschlossen wurden, nun in eine Richterrolle gegenüber ihren alten Peinigern zu manövrieren. Wie immer sie sich im Einzelfall verhielten, an ihnen bliebe der Modergeruch von Denunzianten, von Rächern der Enterbten hängen, während Leute wie DDR-PEN -Mitglied Klaus Höpcke, die Kollegen bei der Stasi denunzierten und als oberste Literaturzensoren des DDR -Staatsapparates fungierten, sich noch als Opfer von Kampagnen inszenieren könnten. Darin üben sie sich übrigens jetzt schon fleißig.

Viel zu lange blieb das Verhältnis zwischen den beiden deutschen PEN-Zentren von politischer Indifferenz und von einer ideologischen Toleranz bestimmt, in der die dramatische Wirklichkeit - Zensur und politische Unterdrückung - weitgehend verschwand. Und das, obwohl Artikel 4 der internationalen Charta des PEN seine Mitglieder verpflichtet, „jeder Art der Unterdrückung der Äußerungsfreiheit in ihrem Lande oder in der Gemeinschaft, in der sie leben, entgegenzutreten“.

Es gehört zu den Fatalitäten der neuen deutschen Verhältnisse, daß die Herausforderung, mit der jüngsten Geschichte umgehen zu müssen, zwischen Scylla und Charybdis, zwischen selbstgerechter Pauschalanklage und eilfertiger Schwamm-drüber-Mentalität herumschippert. Für die (selbst -)kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Täter -Existenz gibt es keinen Ersatz. Das gilt vor allem für jene westdeutschen Schriftsteller, die sich ihr verwunschenes Weltbild von der Brutalität der realsozialistischen Wirklichkeit noch nie trüben ließen.

Das PEN-Zentrum der DDR wird sich nun wohl oder übel selbst auflösen müssen. Die entscheidenden Fragen werden allerdings nicht in irgendeiner „Zuwahlkommission“ des gesamtdeutschen Literaturvereins namens PEN gestellt, sondern in der interessierten Öffentlichkeit. Falls PEN und andere Institutionen die notwendige Kraft für diese Auseinandersetzung nicht aufbringen, wird es Aufgabe der Öffentlichkeit sein müssen, die wundersame Verwandlung von Tätern in Opfer auf möglichst wenige Personen zu begrenzen.

Reinhard Mohr