Gibt es ein Info-System der RAF?

■ Bundesanwaltschaft hält Berichte für „Schnee von gestern“ / CSU besonders informiert

Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Für den bayerischen Innenminister Edmund Stoiber (CSU) ist klar: Irgendwie muß es eine Verbindung zwischen den RAF-Gefangenen und den aktiven RAF-Kadern im Untergrund geben. Man hätte es zwar mit „einer noch wenig bekannten 3.Generation der RAF“ zu tun, für deren Verbindung zu den Inhaftierten gebe es aber „eindeutige Anzeichen“. Das meinte Stoiber gegenüber der 'Welt‘. Diese Kontakte müßten nun „unterbrochen werden können“, eventuell müßten dazu auch die Intentionen des Kontaktsperregesetzes neu formuliert werden.

Die These, daß die RAF-Gefangenen Kontakte zu operierenden RAF-Gruppen unterhalten, propagierte auch der BKA-Präsident Hans Zachert. Nach seinen Worten spielten die Gefangenen eine „wichtige Rolle“ - sie lieferten den „neuen Leuten in der Kommandoebene“ die „Politargumente für die Mordanschläge“, und es gebe „deutliche Hinweise“ darauf, daß sie Einfluß auf die „aktiven Terroristen“ nähmen. Die 'Welt‘ will darüber hinaus von Verbindungen erfahren haben, „die einsitzende RAF-Kader seit geraumer Zeit zu spanischen Terroristen pflegen“. Als Beleg dient ein offener Brief der Gefangenen Eva Haule und Gisela Dutzi an die hungerstreikenden Mitglieder der spanischen Grapo und PCE (r). Darin sollen die beiden für eine „europäische Terrorfront“ plädieren.

Während der Bonner Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Wochenende davor warnte, in „blinden Aktionismus“ zu verfallen, forderte Stoiber als Konsequenz den Ausbau der „vorbeugenden Polizeifahndung“. Als Instrumentarien wünscht der Bayer eine Ausweitung der Rasterfahndung, längerfristige Observationen sowie den erweiterten Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln und verdeckten Ermittlern. Kurz: Das Paket von Sicherheitsgesetzen müsse vom Gesetzgeber verabschiedet werden, das unter der Federführung Bayerns in den Bundesrat eingebracht und mit der überraschenden Zustimmung der SPD-Länder als Vorlage an den Bundestag weitergereicht wurde. Widerstand gegen diesen Ausbau des Fahndungsapparates gibt es aber im Justizressort des FDP-Ministers Hans Engelhard: Er hat grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken erhoben.

Auch der 'Spiegel‘ vermutet ein Info-System der RAF. Unter Berufung auf eine vertrauliche „Gefährdungsanalyse“ des BKA schreibt das Blatt, es sei der RAF gelungen , „zwischen den Häftlingen und der aktiven 'Guerilla‘ erstmals nach Jahren wieder eine funktioniernde Verbindung aufzubauen“. Die Gefangenen sind danach als „integraler Bestandteil der revolutionären Bewegung“ anzusehen. Zellenrazzien hätten massenhaft entspechende Unterlagen zutage gefördert, die zum Teil sogar verschlüsselt waren. Verwiesen wird im 'Spiegel‘ auf ein Verfahren des Generalbundesanwaltes, der Ende März gegen 25 RAF-Gefangene und „weitere noch unbekannte Personen“ wegen des Verdachts des „Aufbaus und der Unterhaltung eines illegalen Informationssystems“ ermitteln ließ. Abgeschlossen ist dieses Verfahren noch nicht.

In der Karlsruher Bundesanwaltschaft werden die Berichte über ein existierendes Info-System aber als „Schnee von gestern“ abgetan. Aus den beschlagnahmten Unterlagen seien keinerlei konkrete Hinweise auf ein Attentat auf den Staatssekretär Neusel hervorgegangen. Das „illegale Kommunikationssystem“ sei zudem schon Ende März entdeckt worden und durch die Beschlagnahme sofort unterbunden worden.