Dagmar Lill plädiert für Auflösung ihrer Ausländer-Zentralstelle

■ Internes Planungspapier räumt faktisch ein: Nach einem Dreivierteljahr sind alle Bemühungen gescheitert, eine sinnvolle Beschäftigung für die Zentralstelle zu (er)finden

Die Behörde gibt es schon, acht auskömmliche Posten sind besetzt, mit „Bremer Zentralstelle für die Integration zugewanderter Bürgerinnen und Bürger“ ist ein Amtstitel von Bedeutsamkeit suggerierendem Klang gefunden, Diensträume, die ordentlich was hermachen, sind in bester Innenstadtlage bezogen, nur die Aufgabe - sie wird immer noch gesucht. Seit einem Dreivierteljahr grübelt die Leiterin der Zentralstelle, Dagmar Lill, - von anderweitigen Tätigkeiten nahezu unbehelligt - inzwischen über der Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit der eigenen Beamten-Existenz.

Ein Ergebnis, das den Begriff „Lösung“ für sich in Anspruch nehmen könnte, gibt es bis heute nicht. Wie sollte es auch angesichts der Komplexität der unverhofften Problemlage, daß Gott und ein Bremer Bürgermeister jemandem ein Amt gaben, ohne zu verraten, wozu. Aber immerhin: Ein Papier gibt es seit neuestem, eine Art Zwischenbilanz des behördeninternen Selbstverständigungsprozesses unter dem hoffenmachenden Titel „Grobgliederung für eine Gesamtkonzeption der Zuwanderungspolitik im Lande Bremen (2. Fassung)“. Eine Überschrift, die ihre Dramaturgie sozusagen in sich trägt, setzt sie doch semantisch das Versprechen auf weitere „Grobgliederungs„-Fassungen in Gang, ehe ein sich mutmaßlich anschließendes, mehrstufiges Verfahren des Entwurfs von „Feingliederungen“ vor übereilter Aufnahme der anvisierten Arbeiten schützt.

Die luftig beschriebenen sieben grobkonzeptionellen Seiten verstehen sich zwar selbst als „lediglich erster Einstieg in die zu bearbeitenden Teilfelder.“ Soviel läßt sich allerdings beim gegenwärtigen Planungsstand ohne Überinterpretation seiner schriftförmigen Bilanz sagen: Die von der Zentralstelle weitläufig visierten Arbeitsfelder werden dieselbe kaum vor unlösbare Aufgaben stellen. Genauer gesagt: Im Grunde stellt das Papier ohne äußere Anzeichen inneren Erschreckens klar: Für die Zentralstelle gibt es eigentlich nichts zu tun.

Sechseinhalb der sieben Seiten stellen mit nach dreivierteljähriger Bilanzierungstätigkeit zu erwartender Gründlichkeit fest, daß auch Ausländer Kindergarten-und Spielplätze , Jugendfreizeitheime und Sozialhilfe brauchen (zuständig: Der Senator für Soziales). Seite drei wartet wesentlich mit der Erkenntnis auf, daß Ausländer im Regelfall eine Schule besuchen sollten und ihnen im Einzelfall darüberhinaus auch beim Abbau von „Sprachdefiziten“ mit Mitteln der Pädagogik und des Senators für Bildung Hilfestellung angedeihen zu lassen ist. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, daß sich in der Zentralstelle die Erkentnis durchgestzt hat, daß Ausländer Wohnungen brauchen, wobei für die „quantitative und qualitative Versorgungslage“ der Bausenator zuständig ist. Ansonsten sind Ausländer in den entsprechenden Fachressorts auch unter dem Gesichtspunkt ihrer Umweltberatbarkeit, ihrer Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen-Zugänglichkeit, ihrer kulturellen Eigentätigkeitsförderlichkeit und ihrer sportlichen Aktivierbarkeit usw. usw. zu berücksichtigen.

Bleibt für Dagmar Lill und Mitarbeiter ein mit Mühe sechs Zentimeter eines DIN-A-4-Bogens füllendes Arbeitsfeld von sechs Spiegelstriche, in denen sich die Zentralstelle für die Durchführung nicht näher bezeichneter „Veranstaltungen“ und „Sonderprojekte “, für die „Analyse der Ursachen von Fremdenängsten“ und eine wie immer geartete „Weiterbildung“ als potentiell zuständig erklärt.

Bürgermeister Klaus Wedemeier ist also - schon im Rahmen seiner dienstlichen Fürsorgepflicht - gefordert: Wenn ein Team hochmotivierter Mitarbeiter nicht einfach an struktureller Unterforderung zerbrechen soll, müssen neue Aufgaben gefunden werden. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen war denn auch zu erfahren: In der Senatskanzlei wird derzeit die Einrichtung einer Zentralstelle zur Koordination unter Sinnzweifeln leidender Behördenmitarbeiter erwogen und ihre Besetzung mit einschlägig erfahrenen Spezialisten.

K.S.