Wohnberechtigungsschein für Ost-Berlin

■ Private Vermieter dürfen in Ost-Berlin ihre Wohnungen zu den noch gebundenen Mieten frei vergeben / Ost-Berlins Baustadtrat schätzt 800 Millionen DM für Wohngeldkasse als realistisch

Berlin. „Ein einig Deutschland heißt auch zusammen wohnen“, meinte der DDR-Bauminister Viehweger. Deshalb dürfen Ost- und Westberliner ab 1. September ganz legal wählen, in welchem Teil der Stadt sie wohnen wollen, wie Viehweger gestern zusammen mit dem Westberliner Bausenator Nagel und seinem Kollegen Thurmann erläuterte. So dürfen private Vermieter dann ihre circa 80.000 Ostberliner Wohnungen frei vermieten, freilich zu den immer noch gebundenen, gültigen Ost-Mieten. Auch in die 335.000 Wohnungen in kommunalem Besitz, die von der KWV verwaltet werden, dürften theoretisch ebenfalls ab 1. September alle Berliner mit Wohnberechtigungsschein einziehen. Der WBS wird dann an alle Ostberliner unabhängig vom Einkommen ausgegeben. Auch Westberliner, die sich eine Ostberliner Meldeadresse besorgen, könnten sich unabhängig vom Einkommen einen solchen WBS besorgen, räumte Nagel ein. Tatsächlich bekommen jedoch einige zehntausend Ostberliner, die teils seit Jahren auf der Warteliste stehen, vordringlich eine KWV -Wohnung.

Um soziale Ungerechtigkeiten zu vermeiden, sollten die Ostberliner Mieten sehr viel schneller ansteigen als in der restlichen DDR und baldmöglichst Westberliner Niveau erreichen, meinte Nagel. Dazu wolle man, nach Möglichkeit schon im ersten Halbjahr 1991, einen Gesamtberliner Mietspiegel erstellen. Von dem Modell, an Westler zu höheren Mieten zu vermieten, sei man abgekommen, sagte Viehweger, da man sonst Verdrängungsprozesse befürchte. Eine Kündigung bestehender Mietverhältisse, um nachher teurer zu vermieten, sei nicht zulässig. Die Wohnungen, für die die Stadt die Belegungsrechte hat, sollen teils von den bezirklichen Wohnungsämtern, die gerade aufgebaut werden, teils von den KWVs vergeben werden, „damit die sich langsam daran gewöhnen, wie so etwa geht“, meinte Nagel. Auch Mietpreisüberwachungsstellen werden eingerichtet.

Soziale Härten sollen nach diesem Modell mit Wohngeld abgefedert werden, das für Ost-Berlin höher sein soll als für die restliche DDR. Sowohl Viehweger wie Nagel streben an, dies per Sonderregelung im Einigungsvertrag zwischen BRD und DDR festzuschreiben. Der vom Berliner Mieterverein geschätzte Betrag von 800 Millionen Mark Wohngeld im Jahr für Ost-Berlin, sechsmal höher als in West-Berlin, sei „realistisch“, sagte Thurmann, jedoch gebe es bereits jetzt im Ostberliner Haushalt 640 Millionen DM für die Subventionierung der Mieten und zur Instandhaltung der Häuser. Dieses Geld würde in die künftige Wohngeldkasse fließen. Außerdem wird die Westberliner landeseigene Wohnungsbaukreditanstalt (WBK) 100 Millionen DM aus Eigenmitteln für die Ostberliner Stadterneuerung zur Verfügung stellen.

esch