Polizeiboß nötigt Gewerkschaftschef

■ Wie in guten alten Stasi-Zeiten: Ost-Berlins Polizeichef Bachmann versuchte vor Fernsehinterview, den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei mit Auszug aus Personalakte unter Druck zu setzen

Tiergarten. Ist das das Ende von Ost-Berlins Polizeipräsident Dirk Bachmann? Wenige Sekunden vor einem Fersehinterview des Privatsenders SAT1 versuchte der Chefpolizist, den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei Ost-Berlin, Rainer Kämpf, unter Druck zu setzen. Nach der Darstellung des Gewerkschafters hatte Bachmann einen Auszug aus Kämpfs Personalakte dabei und drohte: „Sollten Sie jetzt einen schmutzigen Angriff gegen mich starten, habe ich für diesen Fall ein Unterhaltungsblatt aus Ihrer Personalakte, das ich notfalls bekanntgebe.“ Kämpf hat Strafanzeige wegen Nötigung erstattet.

Bachmann bestreitet die Darstellung des Gewerkschaftsvorsitzenden. In einer Unterredung mit Innenminister Peter-Michael Diestel am vergangenen Montag einigten sich beide, Kämpf juristisch zu belangen. Doch Bachmann hatte Pech. Denn im Studio von SAT1, im Erdgeschoß der Budapester Straße 35 in Tiergarten, war ein Kameramann Zeuge des Vorfalls geworden. Dies bestätigte gestern der Chef vom Dienst, Heiner Meyer, der taz. An dem betreffenden 19.Juli, als Volkspolizisten aus der gesamten DDR vor der Volkskammer demonstrierten, sei ein Interview mit dem Vorsitzenden der GdP Ost-Berlin geplant gewesen. Eine dreiviertel Stunde vor Beginn der Sendung Wir in Berlin habe sich der Polizeipräsident über das „kampagnenartige Stück“ im SAT1-Studio telefonisch beschwert. Moderator Norbert Wolter habe den Polizeipräsidenten daraufhin gebeten, auch ins Studio zu kommen. Erst wollte sich Bachmann vor laufenden Kameras „zur Problematik“ nicht äußern, doch dann platzte er pünktlich zum Sendebeginn um 18 Uhr 30 ins Studio.

Der Chef vom Dienst berichtete, daß Bachmann bei dem siebenminütigen Streit dann die bessere Figur gemacht habe. GdP-Kämpf hätte Kritik eher vorsichtig formuliert. Nach der Sendung habe sich der Kameramann bei Kämpf vergewissert, ob er Bachmanns Drohung „richtig verstanden“ habe. Kämpf hätte geantwortet, daß er wegen dem Auszug aus der Personalakte Angst um seinen Job gehabt hätte. Der Gewerkschaftsvorsitzende teilte gestern mit, daß Bachmann offenbar Kämpfs damalige Bewerbung zum Politoffizier veröffentlichen wollte. Kämpf hatte sich einst um den Posten beworben, um beruflich voranzukommen. Als Politoffizier hätte er seine Kollegen auf SED-Linie bringen müssen.

Von Bachmann ist in seiner kurzen Amtszeit als Polizeipräsident, die dieses Jahr begonnen hat, schon zweimal der Rücktritt gefordert worden. Die GdP West-Berlin forderte ihn im Juni, nachdem er eine „Bürgerfront gegen Extremismus“ vorgeschlagen hatte. Kämpf verlangte im vergangenen Monat Bachmanns Abgang, weil er demonstrierenden Volkspolizisten Disziplinarverfahren angedroht hatte.

Dirk Wildt