Das Dulderinnen-Syndrom

■ Der Rollback in der Frauenpolitik hat begonnen

Wie oft ist sie schon beklagt worden, die weibliche Bescheidenheit? Wie alt ist der Satz: die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen? Und wie er bestätigt wird in diesen Monaten der deutsch-deutschen Sturzgeburt! Wenn die Frauen der DDR mit ihren Forderungen jetzt nicht auf die Straße gehen, dann lassen sie sich brav die Hauptlast der Vereinigung aufbürden. Dann sind sie - wie gehabt - in der Rolle der Dulderinnen einer Politik von oben, einer Politik der männlichen Interessen. Und wenn die Frauen im Westen sich jetzt nicht lautstark einmischen, kommt ein politisches Rollback auf sie zu, über das sie noch staunen werden. Glaubt eine denn wirklich, was im Osten passiert, bliebe ohne Folgen?

Sicher, es gab Kritik, auch über den ersten Staatsvertrag aber wie zahm und vorsichtig! Seit Wochen erklären die Politikerinnen der SPD: Nun aber, im zweiten Staatsvertrag, da müßten endlich die Frauen berücksichtigt werden. Es tut sich gar nichts. Es geht nicht um eine Viertelstunde Stillzeit für Berufstätige oder um den Erhalt des Hausarbeitstages. Das waren ohnehin Almosen der SED -Männerriege an „ihre“ Frauen. Ansonsten wurde den weiblichen Werktätigen nämlich viel zugemutet: 43-Stunden -Woche, niedrigere Löhne, Hausarbeit, Kinderziehung, die Mühen der Mangelwirtschaft und die Lieblosigkeit des Alltags. Und die Frauen haben das alles ertragen. Bis im Herbst der Funke übersprang. Kecke Stimmung kam auf gegen die mittelmäßigen Mäner. Die Frauen klagten ihr Recht ein, mitbestimmen zu wollen, sie wollten endlich nicht mehr Objekt sein. Längst schon ist diese aufmüpfige Stimmung verflogen, resigniert ziehen sich viele Frauen aus der Politik zurück. Die neuen Mühen des Alltags sind kräfteraubend - die Schlange bei Aldi, die drohende Arbeitslosigkeit... Je mehr Frauen mit der Alltagsbewältigung beschäftigt sind, desto weniger Zeit und Kraft bleibt für die Politik. Und was der einzelnen widerfährt, wird als individuelles Problem erfahren und bewertet. Die gesellschaftliche Dimension bleibt außen vor.

Die wenigen professionellen Frauenpolitikerinnen der DDR sind in der Tat überfordert. Und keine von ihnen hat eine Hausmacht. Sie dürfen auf die Belange der Fauen verweisen, aber sie haben nichts in der Hand, um sich durchzusetzen. Gemeint ist nicht etwa die Festschreibung der „sozialistischen Errungenschaften“, die die traditionelle Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern ohnehin nie angetastet hatte. Es geht darum, daß die Frauen der DDR auf Jahre wieder an „Heim und Herd“ zurückverwiesen werden sollen. Wann ist die Geduld der Frauen endlich am Ende?

Helga Lukoschat