„Verschleierte Frauen in der Karibik! Absurd!“

■ Die Lage auf dem Karibik-Inselstaat Trinidad ist unübersichtlich / Gekidnappte Regierung Arthur Robinsons soll den Putschisten Neuwahlen zugesichert haben / Kaum jemand mag die moslemischen Aufständischen unter Führung des Ex-Polizisten Abu Bakr

Port-of-Spain (taz/afp/ips) - Im Karibikstaat Trinidad und Tobago ist die Lage nach dem Putschversuch einer Gruppe von moslemischen Aufständischen weiterhin unübersichtlich. Seit vergangenem Freitag befinden sich Regierungschef Arthur Robinson und weitere Kabinettsmitglieder sowie Abgeordnete in der Gewalt der angeblich von Libyen unterstützten, fundamentalistischen „Dschamaat al-Muslimin“ des 45jährigen Ex-Polizisten Abu Bakr. Seit Beginn des Putsches sind nach offiziellen Angaben 22 Personen getötet und über 120 verletzt worden. Unbestätigten Berichten zufolge sollen jedoch allein rund fünzig Polizisten bei den Auseiandersetzungen ums Leben gekommen sein.

Die karibische Nachrichtenagentur 'cana‘ berichtete am Montag abend, Robinson habe die Forderungen der Islamkämpfer nach freiem Abzug, Straffreiheit und Neuwahlen binnen drei Monaten akzeptiert. Auch ein Sprecher von Abu Bakr, Kwasi Atba, hatte im staatlichen Radio behauptet, Robinson habe ein Dokument unterzeichnet, in dem er auf sein Amt verzichte und den am Putsch Beteiligten Straffreiheit zusichere. Dagegen versicherte Major Dave Williams, ein hochrangiger Offizier der Inselrepublik, die Verhandlungen seien wieder „am Ausgangspunkt angelangt“.

Am Dienstag morgen teilte dann Justizminister Selwyn Richardson überraschend mit, man habe mit den Aufständischen eine Vereinbarung erzielt. Bis zu Neuwahlen soll nun der stellvertretende Ministerpräsident Winston Dookeran einer provisorischen Regierung vorstehen, in der alle Parteien, einschließlich der Gruppe um Abu Bakr, vertreten sein werden.

Armee und Polizei verhielten sich - im Gegensatz zu ersten Berichten - loyal gegen die gekidnappte Regierung. Auch die Hoffnungen der islamischen Putschisten, die aufgrund der desolaten Wirtschaftslage des Karibikstaates auf eine breite Unterstützung durch die Bevölkerung spekulierten, gingen nicht auf. Zwar sind die 1,2 Millionen Menschen der Inselrepublik mit ihrer Regierung alles andere als zufrieden. Mit den rigiden, islamischen Gottesstreitern um den Ex-Polizisten aber wollen sich nur sehr wenige anfreunden. Noch nicht einmal auf die Unterstützung der Muslime des Karibikstaates kann Abu Bakr rechnen. „Das sind doch religiöse Spinner, die die Frauen verschleiern wollen und Alkohol und Gras verdammen. Verschleierte Frauen in der Karibik! Absurd!“ meint ein junger Schwarzer und tippt sich an die Stirn.

Teile der Bevölkerung indes nutzten das Machtvakuum im Gefolge des Putsches für ihre Zwecke und zogen plündernd und brandschätzend durch die Hauptstadt. „Es gibt hier keinen einzigen intakten Laden mehr“, meinten Augenzeugen. Doch diese Ausschreitungen richten sich in erster Linie gegen die oftmals als „Ausbeuter und Halsabschneider“ beschimpften Inder und Libanesen, die beinahe den gesamten Handel der kleinen Inselrepublik kontrollieren und sind Ausdruck massiver sozialer Spannungen. Die Behörden verlängerten daher die Ausgangssperre in Port-of-Spain von zwölf auf achtzehn Stunden täglich.

Fast ein Viertel aller Personen im erwerbsfähigen Alter sind ohne Lohn und Brot. Erst jüngst wurden Sozialprogramme für Arbeitslose ersatzlos gestrichen. Für zusätzlichen Unmut sorgte eine Art Mehrwertsteuer, die praktisch alle Güter einschließlich der Grundnahrungsmittel - um etwa 15 Prozent verteuert. Schon heute leben praktisch zwei Drittel des multirassischen Karibikstaates am Rande des Existenzminimums. Mit je etwas über 40 Prozent Bevölkerungsanteil stellen Schwarze und Inder die beiden größten ethnischen Gruppen. Weiße machen nur knapp zwei Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Zwei Drittel aller Trinidader und Tobagoer bekennen sich zum Christentum, ein Viertel zum Hinduismus. Nur knapp sechs Prozent sind Muslime.

Die Gruppe schwarzer Moslems, die am Freitag das Parlament und das Gebäude des staatlichen Fernsehens in Port-of-Spain gestürmt und große Teile der Regierung in ihre Gewalt brachte, wird angeblich seit der „Zweiten Konferenz gegen Imperialismus und Zionismus“, die 1986 in der libyschen Hauptstadt Tripolis stattfand, von Ghaddafi unterstützt. Sie ist geprägt von einem Islam fundamentalistischer Ausrichtung, ähnlich dem der ägyptischen „Achwani Muslimin“, der Moslembruderschaft. Abu Bakr - er benannte sich nach dem ersten Kalifen, der die Nachfolge Muhammads als politischer Führer der islamischen Gemeinde antrat - gründete seine heute maximal 500 Streiter zählende „Schar der Muslime“ vor etwa sechs Jahren und pflegt enge Beziehungen zu Libyen.

Abu Bakr, der nach eigenen Aussagen nur „das Gesetz Allahs“ anerkennt, ist bereits wiederholt mit dem seit 1986 regierenden Robinson, Chef der multi-ethnischen „Nationalen Wiederaufbau-Allianz“, aneinandergeraten. Wegen der „Organisation von Aufruhr“ wurde Abu Bakr, der in den siebziger Jahren der US-amerikanischen „Black Power„ -Bewegung nahegestanden haben soll, mehrfach inhaftiert. Sein politisches Ziel ist ein „islamischer Staat“. Mit der Beteiligung an einer Übergangsregierung dürfte der ehrgeizige Islamstreiter kaum zufrieden sein.

wasa