Giftgas-Blockierer im Knast

■ Mit einem Hunger- und Durststreik protestiert ein Anhänger der Friedensbewegung im Wuppertaler Knast gegen seine Bestrafung / Freilassung des Blockade-Teilnehmers in erster Instanz abgelehnt

Wuppertal (taz) - Während gestern der Abzug amerikanischer Giftgasgranaten aus dem pfälzischen Clausen mit einem vierten Lkw-Treck fortgesetzt wurde, hungert im Wuppertaler Knast ein ehemaliger Blockierer des Giftgaslagers Fischbach für seine Freilassung. Seit dem 19. Juni inhaftiert, verweigert Michael Düllmann bereits 39 Tage die Nahrung. Seit knapp einem Monat befindet er sich zusätzlich im Durststreik. In einem Brief an die zuständige Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach forderte Düllmann kurz nach Beginn des Hungerstreiks seine „sofortige Freilassung sowie Beendigung und Einstellung aller politischen Prozesse gegen Menschen der Friedensbewegung, die an friedlichen und gewaltfreien Aktionen gegen die Massenmordinstallationen teilgenommen haben“. Düllmann weigert sich, eine Geldstrafe von 3.675D-Mark zu bezahlen, zu der das Amtsgericht Simmern ihn wegen seiner Teilnahme an gewaltfreien Blockaden in Hasselbach und Fischbach vor drei beziehungsweise zwei Jahren verurteilte. Deshalb mußte er - nach dem momentanen Stand bis Ende September - ins Gefängnis. Der 47jährige, Mitglied der Jüdischen Friedensinitiative Bonn und des Bonner Friedensplenums, erkennt die Strafe nicht an. Nicht nur er selbst, die Friedensbewegung insgesamt werde dadurch kriminalisiert.

Und dies, so der grüne Bundestagsabgeordnete Manfred Such in einem offenen Brief an den Bundesjustizminister, auch dann noch, wo die Waffen abgezogen würden, gegen die Düllmann und viele andere demonstriert hätten. Such fordert neben der Freilassung Düllmanns eine Rehabilitation „aller bisher nach friedlichen Aktionen verurteilter Menschen“ und eine erneute Diskussion um eine Abschaffung der im Paragraphen 240 des Strafgesetzbuches verankerte sog. „Verwerflichkeitsklausel“, die zum „politisch nutzbaren Disziplinierungs- und Kriminalisierungsinstrument“ verkommen sei.

Michael Düllmann hatte zunächst einen unbefristeten Hunger und Durststreik angekündigt. Er nimmt jetzt nur noch ein Achtel bis einen Viertelliter Flüssigkeit zu sich, nachdem er zunächst einen Liter pro Tag und später einen halben getrunken hatte. Noch bezeichnet die Gefängnisleitung seinen Zustand als nicht lebensbedrohlich. Dennoch kann Düllmann jederzeit zusammenbrechen. Freunde haben den in erster Linie religiös motivierten Mann inzwischen davon abgebracht, unbefristet zu hungern. Gleichwohl will er jetzt noch bis zum 9.August, dem Tag des amerikanischen Atombombenabwurfs auf Nagasaki, dursten und bis Anfang September nichts essen.

Klaus Vack, langjähriger Streiter vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, hat den rheinland-pfälzischen Justizminister Caesar aufgefordert, die Haft für Düllmann aussetzen zu lassen, um „ein Menschenleben zu retten“. Der zuständige Oberstaatsanwalt Halfmann in Bad Kreuznach lehnte bereits Anfang dieser Woche das „Begnadigungsgesuch“ ab, zu dem er die Freilassungsforderung Düllmanns kurzerhand umdefiniert hatte. Vermutlich heute entscheidet der Generalstaatsanwalt in Koblenz über eine Haftaussetzung; wenn er ablehnt, muß Minister Caesar reagieren.

Bettina Markmeyer