Eine echte Herausforderung für Frauen

■ Der Entwurf für den zweiten Staatsvertrag erfüllt alle Befürchtungen: Die wenigen gesetzlichen Vergünstigungen der DDR-Frauen sollen wegfallen / „Überleitung“ ins BRD-Mutterschutzgesetz

Von Ina Kerner

Bonn (taz) - „Frauen und Behinderte sind besonders zu berücksichtigen.“ Dieser Satz stammt nicht etwas aus dem vorigen Jahrhundert, sondern steht so im ersten Staatsvertrag zwischen der BRD und der DDR. Der einzige übrigens zum Thema Frauenpolitik und -förderung. Im zweiten Staatsvertag nun, der Ende dieses Monats verhandelt werden soll, hat man den Frauen einen ganzen Abschnitt gewidmet und zwar unter der Überschrift: Frauenpolitik und Jugend. Drin steht, was zu befürchten war: Die paar gesetzlichen Vergünstigungen, die Frauen, besser: Mütter, in der DDR bisher genießen, sollen so schnell wie möglich wegfallen.

Zum 1. Januar 1991 soll, nach Wunsch der Bundesregierung, die „Überleitung“ des bundesrepublikanischen Mutterschutzgesetzes erfolgen. Pech für die Frauen in der DDR.

Plagen das Kind Masern oder Mumps können Alleinerziehende in der DDR bislang vier Wochen pro Jahr zur Pflege zu Hause bleiben. In der BRD werden dafür lediglich zehn Tage gewährt, und auch nur dann, wenn der Nachwuchs nicht älter als acht Jahre alt ist. In der DDR gilt die Regelung für Kinder bis 14 Jahre.

In der DDR dürfen Mütter mit mindestens zwei Kindern wöchentlich dreieinhalb Stunden weniger - also 40 Stunden arbeiten als andere „Werktätige“. Die 40-Stunden-Woche soll zwar möglichst schnell für alle Beschäftigten in der DDR eingeführt werden. Doch bis zum Neujahr 1991 wird das nicht klappen. Dann aber fällt die Arbeitszeitverkürzung für Mütter weg. Verschwinden soll auch der Anspruch auf einen freien „Hausarbeitstag“.

Noch weitreichender sind die Veränderungen für die Frauen der DDR kurz vor oder nach der Entbindung. Bisher erhalten sie 20 Wochen lang das „Wochengeld“. Ab Mitte Juni soll es durch den achtwöchigen Mutterschaftsurlaub ersetzt werden. Nach dem Wochenurlaub gibt es in der DDR bis zum ersten Geburtstag des Kindes Erziehungsurlaub; zweimal kann er verlängert werden, wenn für das Kind kein Hortplatz zur Verfügung steht. Wird der Entwurf verabschiedet und tritt er in Kraft, wird es den verlängerten Erziehungsurlaub nicht mehr geben. Da mittlerweile eine Obergrenze für Hortplätze besteht, haben Frauen ohne Platz für ihr Kind das Nachsehen. Sie müssen ihre Kinder dann selbst beaufsichtigen und haben keinen Anspruch mehr auf staatliche Unterstützung. Im Frauenministerium der DDR wird dem bundesdeutschen Erziehungsgeldgesetz dennoch der Vorzug gegeben. Denn insgesamt erhalte die Mutter nach dieser Regelung insgesamt 11.400 Mark, während nach der DDR-Fassung lediglich 8.700 Mark gezahlt würden. Der höhere Betrag in der BRD rührt vor allem daher, daß hier die Mütter erst eineinhalb Jahre nach der Geburt wieder am Arbeitsplatz erscheinen müssen; die Frauen in der DDR werden in der Regel schon ein Jahr nach der Entbindung wieder berufstätig. Aber 2.700 Mark zählen auch hier mehr als die Möglichkeit der Frau, Familie und Beruf besser miteinander zu verbinden.

Dabei ist der Grundstein dafür in den derzeitigen DDR -Gesetzen gelegt. Freigestellte Mütter haben dort das „Recht auf soziale Betreuung durch den Betrieb“. Der Betrieb muß Frauen im Erziehungsurlaub Aus- und Weiterbildung gewähren. Die Möglichkeiten der Frau, „ihre berufliche Tätigkeit mit ihren Aufgaben in der Familie zu vereinbaren“, steht schließlich ganz oben im Arbeitsförderungsgesetz der DDR. Dort wird auch als Ziel verheißen, daß der „geschlechtsspezifische Ausbildungsstellen- und Arbeitsmarkt überwunden wird“. In bundesdeutschen Gesetzen fehlt ein solcher Satz. Im Entwurf zum Staatsvertrag ist er auch nicht zu finden.