Kunstschaltstelle? Rührwerk?

■ Die „Gesellschaft für Aktuelle Kunst“ wird zehn Jahre alt / Gespräch mit Barbara Claassen-Schmal über Aktuelles, Kunst und Verein

Seit bald zehn Jahren erquickt eine umrührige und sogenannte „Gesellschaft für Aktuelle Kunst e.V.“ (GAK) die bremische Kunstwelt. Die taz sprach mit der Geschäftsführerin Barbara Claassen-Schmal, im kleinen Büro der GAK, Adresse Teerhof 20 d, etwas versteckt in der Weserburg gelegen, welche noch immer umgebaut wird.

taz: Wenn du an die Geschichte Eures Vereins denkst: auf welchen Taten liegt besonderer Glanz?

Barbara Claassen-Schmal: Hier in Bremen fand oft anderes Beachtung als das, was sonst als hochkarätig gilt. Zum Beispiel ist das Bremer Publikum ganz besonders gut vorbereitet für so interdisziplinäre Dinge. Das haben die Leute ganz einfach in diesem langjährigen Programm „Pro Musica Nova“ von Hans Otte gelernt. Als wir 1983 mit diesem Schwerpunkt angefangen haben, fanden wir schon ein kompetentes Publikum vor.

Schwerpunkt? Interdisziplinär?

Ja, wir haben uns dem Grenzbereich zwischen Kunst, Musik, Mathematik, neuer Technologie gewidmet. Da gibt es die Kunst, die Erlebnisse und Erfahrungen für alle Sinne bietet.

Heißt „interdisziplinär“, daß man jetzt alles bloß mal gut durchrührt?

Nein. Wir bemühen uns schon um einen kritischen Zugriff. Eine Computergraphik, die nur dokumentiert, daß da viele Wissenschaftler und Techniker bei der Geräteentwicklung wahnsinnig kreativ gewesen sind, eine solche Graphik interessiert uns nicht. Es geht um den Anteil des Künstlers selber dabei, ob der groß genug ist.

Aber Eure Ausstellung auf der BremTec neulich, genannt „Kunst und Technologie“, da hingen doch auch „bloß“ Computergraphiken. Ist das, wo es um viel Neues geht, nicht ein bißchen minimal?

Extrem minimal. Das liegt daran, daß wir vorübergehend, hierhin bitte das Foto von der Frau mit dunklem langem Haar

Barbara Claassen-Schmal

naja, vorübergehend, eigentlich seit fast eineinhalb Jahren keine Räume haben. Unsere Arbeit ist dadurch ziemlich blockiert. Aber selbst die Ausstellung war, vom Herzeigen der Arbeiten ganz abgesehen, recht nützlich. Wir haben da Kontakte hergestellt zwischen Firmen und Künstlern, haben Schwellenängste abgebaut auf Unternehmerseite und haben in die Wege geleitet, daß Künstler bei Firmen auch mal in die Labors reindürfen und dort arbeiten.

Ich nehme an, Ihr habt Lust, Eure Themen zu vertiefen. Was würdet Ihr machen, eine optimale Situation vorausgesetzt?

Im Prinzip das, was wir früher auch gemacht haben. Da gab es, ich sag mal: Festival-artiges, Konzerte, Demonstrationen und dazu Workshops. Wir machen auch gern sogenannte lecture performances, das ist richtiger Unterricht, zwar öffentlich, aber Foto: Wolfram Steinberg

ziemlich professionell, also mehr was, wo Künstler voneinander lernen. Da schreiben die Kollegen dann gegenseitig mit, wie da einer was macht. Aber alles, was über eine Ausstellung hinausgeht, kostet Extra-Geld.

Und Extra-Geld kostet wahrscheinlich extra viel Rennerei.

Nun ja, ich sag das nicht gern, es ist ja auch peinlich, aber wir haben es natürlich überall leichter als hier in Bremen. Wir sind international inzwischen recht angesehen, hier allerdings weiß man uns nicht recht zu fassen. Unsere Aufgabe ist es ja, bemerkenswerte internationale Kunst nach Bremen zu holen, und zwar Kunst, die noch nicht im Museum hängt, Betonung auf noch. Da ist immer ein Risiko dabei. Wir sind da überhaupt eine Art Schaltstelle, eine Vermittlungsinstanz.

Was hat die Bremer Kunst davon?

Wir stellen von Zeit zu Zeit Bremer Künstler aus, wobei schon die Kritik kam, was es denen denn nütze, immer hier in der Stadt ausgestellt zu werden. Wir helfen aber auch bei dem Schritt nach draußen. Wir schreiben Katalogtexte, wir vermitteln Künst

ler direkt irgendwohin, versuchen, Stipendien oder Gutachten zu besorgen, oder schreiben Expertisen. Aber das Besondere an der GAK in dieser Stadt ist, daß bei uns Leute, die sich zur Subkultur oder einer ganz exponierten Avantgarde zählen, auf das ganz normale Spektrum treffen, also auch auf Leute, die sich so als Sammler oder Mäzene verstehen.

Wie kommt Ihr denn an internationale Kunst ran, vom Schreibtisch aus?

Ich muß da sehr viel rumreisen. Ausstellungen besuchen, Künstler besuchen, Kollegen von anderen Kunstvereinen besuchen. Die Grundlage von so einer Zusammenarbeit, die ja ziemlich komplex und vernetzt ist, die Grundlage ist Kontinuität und Verläßlichkeit. Lange Erfahrungen miteinander sind einfach Voraussetzung für alles, schon allein dafür, daß man Leihgaben kriegt. Und man kann insgesamt auf lange Sicht die Kosten runterschrauben. Das erzählen wir immer wieder, aber...

Nützt nix?

Nein. Wir müssen ja immer noch mit ABM-Kräften arbeiten.

Wieviele seid Ihr?

Wir sind zu dritt. Eine Schreibkraft, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter und ich als Geschäftsführerin.

Wieviel Geld kriegt ihr?

Das sind immer ungefähr 80.000 Mark im Jahr.

Habt Ihr viele Mitglieder?

Ungefähr dreihundert. Deren Beiträge machen einen guten Teil unseres Etats aus. Und dann machen wir einmal im Jahr eine Versteigerung, da überlassen uns Künstler aus, ja, Verbundenheit, mal das eine oder andere ihrer Werke. Das macht uns ein bißchen unabhängiger von staatlicher Förderung.

Habt Ihr denn schon einen eigenen Fundus?

Das ist was, da diskutieren wir noch. Manches von dem, was wir versteigern, bleibt weit unter Marktwert. Da sagen wir immer: Was für'n Quatsch, warum behalten wir das nicht? Das würde uns vielleicht über die Flüchtigkeit von Wechselausstellungen hinaus, wo ja immer nur Kataloge bleiben, etwas Gestalt verleihen. Aber die ganze Situation ändert sich jetzt ja mit dem „Neuen Museum Weserburg“. Da wird dann eine Sammlung zeitgenössischer Kunst sowieso parat sein.

Erstmal habt Ihr aber keine Räume mehr, seit die Weserburg zum Sammlungsmuseum umgebaut wird.

Ja, aber das ist auch zeitlich begrenzt. Wir waren hier zehn Jahre lang drin und kommen ab Anfang nächsten Jahres auch wieder rein. Wir werden dann, wenn man so will, der Ausstellungsverein für dieses neue Museum. Da gehen dann die Leute durch unsere Aus

stellung und ärgern sich, was ihnen die GAK schon wieder für unverständliches Zeug vorsetzt. Und zur Erholung haben sie dann die ständige Sammlung, wie in der Kunsthalle auch. Hier gehen sie dann, um Vertrautes zu genießen, zu den Rückriems oder Graupners. Das Museum selber wird natürlich auch Ausstellungen machen. Aber der Diskussionspunkt, die ständige Anregung, der Anlaß, alle vier, sechs Wochen hier ins Haus zu kommen, das sind dann wir. Fragen: Manfred Dworscha