„Ein gutes Verhältnis“

■ Psychisch Kranker stach auf seinen Vater ein: Zum 13. Mal in die Psychiatrie

Ein Sohn, 27 Jahre alt, ist mit einem Küchenmesser auf seinen Vater losgegangen. Warum, weiß er sich und anderen nicht zu erklären. Als der Vater an jenem Tag versuchte, die Attacke mit der Hand abzuwehren, traf das Messer den väterlichen Daumen. Der Daumen wurde anschließend von Handchirurgen in einer vierstündigen Operation wieder angenäht. Gestern hatte die Große Strafkammer des Landgerichts Bremen darüber zu befinden, was nach dieser gefährlichen Körperverletzung mit dem Sohn zu geschehen hat.

Der Sohn auf der Anklagebank, Matthias K., wiederholte zum Hintergrund und Ablauf der

Tat immer wieder nur ein mysteriöses Wort: „Sahne“. Zu seinem weiteren Schicksal formulierte er dagegen sehr klar: „Ich bin krank. Ich möchte nicht ins Gefängnis. Da ist mir zuviel Hasch und Drogen. Ich möchte lieber in die Psychiatrie.“ Letzteres fand auch der psychiatrische Gutachter Dr. Axel Titgemeyer. Zwar sei Matthias K. bereits zwölfmal stationär und ohne Erfolg in der Psychiatrie behandelt worden, einmal sogar fast zwei Jahre lang ununterbrochen, dennoch verspreche er sich von einer „längerfristigen“ Behandlung durchaus Besserung. Zu den Ursachen der schweren Krankheit äußerte er sich nicht, nur zum Erschei

nungsbild. Die Krankheit heiße „endogene Psychose“. Sie sei Anfang, Mitte der 80er Jahre ausgebrochen und mittlerweile „chronisch“. Wort-und fremdwortreich beschrieb der Gutachter das Krankheitsbild: „Wahnvorstellungen, Halluzinationen, unvorhersehbare affektive Durchbrüche.“ Der Vater, der als Verletzter und einziger Zeuge vorgeladen war, beschrieb die Krankheit seines Sohnes so: „Im 21. Lebensjahr fing das an. Dann hat er Mäuse gesehen, hat Stimmen im Radio gehört.“ Zu den Ursachen der Krankheit und zu den Motiven der Tat sagte der Vater zwei ganze, feststehende Sätze: „Wir haben ein gutes Ver

hältnis. Wir hatten nie Streit.“ Wie ein Echo kam es aus dem Mund des Sohnes von der Anklagebank: „Wir haben ein gutes Verhältnis.“

Das Urteil der Strafkammer unter Vorsitz von Richter Kurt Kratsch lautete: „Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus“. Damit kehrte der Sohn gestern auf längere Frist zurück in die forensische Abteilung des Dr. Axel Titgemeyer.

Nachdem das Urteil gesprochen war, klopfte der Vater dem Sohn im Hinausgehen jovial auf die Schulter. Eben ein richtig gutes Verhältnis.Aber was der Sohn wohl mit „Sahne“ meinte?

Barbara Debus