Metaphysik Schwarzenegger

■ „Die totale Erinnerung“ von Paul Verhoeven

Was ist nur mit Arnold Schwarzenegger passiert? Im letzten Jahr spielte er den Zwillingsbruder Danny De Vitos und nun macht er eine Selbstfindungsreise zum Mars? Erleben wir hier einen Superstar auf der Suche nach seinem Image? Oder gar nach dem „Verletzlichkeitsfaktor“, von dem er neuerdings gern in Interviews behauptet, er würde ihm seine zahlreichen weiblichen Fans bescheren?

Die totale Erinnerung ist sein bisher ambitioniertester Film: die Budgetangaben schwanken zwischen 50 und 65 Millionen Dollar. Der Stoff, basiernd auf Phillip K. Dicks Erzählung We can remember if for you wholesale, ging im Verlauf der letzten 14 Jahre durch die Hände von einem guten Dutzend verschiedener Autoren und Regisseure, das Drehbuch soll 40 Fassungen durchlaufen haben. Das Sujet mutet für einen Scharzenegger-Film reichlich esoterisch an. Der Bauarbeiter Doug Quaid wird von Alpträumen an ein früheres Leben auf dem Mars geplagt und muß entdecken, daß er tatsächlich früher dort gelebt hat: als Geheimagent, der gegen den Diktator revoltierte.

Das eher quallige Thema („Deine Identität wurde ausgelöscht und eine neue implantiert. Tut mir leid, Quaid: dein ganzes Leben ist nur ein Traum!“), Anlaß für einige leidlich hintergründige und beizeiten ironische Dialogpassagen, beschwert diesem interstellaren Selbstfindungsprozeß jedoch überraschende Wendungen und wird durch das visuelle Motiv der Spiegelung und Verdopplung überdies geschickt in die zahlreichen Actionszenen integriert. Allein, die Metaphysik ist Schwarzeneggers Sache nicht und als ihn der Rebellenführer auf dem Mars hypnotisiert und zwingt, sich zu erinnern, bringt den Mimen die Aufforderung „Jetzt öffnen Sie Ihren Geist!“ in arge Verlegenheit.

Die totale Erinnerung ist ein Film der groben Pinselstriche, bei dem es sich indessen lohnt, nach den feinen Ausschau zu halten. Paul Verhoevens Film birgt viele Themen, die schon Robocop zu einem Actionfilm für Intellektuelle hätten machen können. Verhoeven strengt sich an, in die perfekt funktionierende Actionmaschinerie mit der genreüblichen Alles-ist-möglich-Virtuosität und den unglaublich naiven Spezialeffekten, ein subversives Moment einzuschmuggeln. Robocop schoß sich allerdings weitaus treffsicherer auf die law-and-order-Ideologie der Reagan-Ära ein.

Einzig in seiner exzessiven Gewalttätigkeit transzendiert der Film die Grenzen seines Genres. Verhoevens Inszenierung mag anfangs noch ein subtiles Moment der Erschütterung zulassen: Quaid ist nach der ersten Kampfszene überrascht darüber, daß er sovieler Brutalität fähig ist, später nimmt sie dann geradewegs obsessive und pathologische Züge an. Der Zynismus geht allerdings auf Schwarzeneggers Konto: der hat keineswegs vergessen, was er seinen Fans schuldig ist.

Gerhard Midding

„Totale Erinnerung“, von Paul Verhoeven. Mit Arnold Schwarzenegger, Rachel Ticotin, Sharon Stone u.a., USA 1990, 109 min.