Verächtlich machen? Um Himmels willen, nein!

„Über alles darf man in Frankreich Witze machen - außer über die Religion, die Toten und die Armee.“ Cabu, der Erfinder des legendär spießigen Provinzfranzosen „Mon Beauf“, weiß, wovon er redet. Neben Reiser, Plantu und Wolinski ist er der - im besten Sinne - populärste politische Karikaturist des Landes.

Seit er von irgendeinem Präsidenten in den Algerienkrieg geschickt wurde, ist Cabu gegen jeden Herdentrieb immun und radikal unmoralisch. So sehr, daß auch die satirische Wochenzeitung 'Canard enchain‘ jene Zeichnung nicht drucken wollte, in der vom moralischen Über-Ich Charles de Gaulles lustvoller Gebrauch gemacht wurde (Zeichnung 1). Denn zwar dürfen Präsidenten kritisiert und bespottet - oder besser: bespöttelt -, aber nicht verächtlich gemacht werden.

Bestes Beispiel für eine politische Karikatur, die präzise ist, aber nicht verletzend, und bei aller Stubenreinheit nur dann schroff, wenn es gegen Ayatollahs, Faschos und Diktatoren geht, sind die Zeichnungen von Plantu, dem Chronisten bei 'Le Monde‘: eine Art Tucholsky unter Frankreichs Zeichnern (Zeichnung 2). Was jedoch über den guten Geschmack hinausgeht, wird - seit es die infamen Journale 'Charlie Hebdo‘ und 'Harakiri‘ nicht mehr gibt zensiert, wie jene Würdigung der Zeremonie am Grab des Unbekannten Soldaten von Cabu (Zeichnung 3).

Die einzige Figur des öffentlichen Lebens, die mit Schließmuskeln, Fäkalien und sonstigem in Zusammenhang gebracht werden darf (dankenswerterweise macht 'Liberation‘ für Chirac auch mal eine Ausnahme), ist Jean-Marie Le Pen (Zeichnung 4). Empören tut sich da keiner.

Größeren Skandal dagegen machte eine Karikatur zum letzten Mal Mitte der achtziger Jahre, als der frühere Zeichner von 'Le Monde‘ und 'Evenement du Jeudi‘, Konk, seine Feder den „Revisionisten“ lieh, wie in Frankreich jene Zeitgenossen genannt werden, die den Holocaust für eine schlichte Hypothese, wenn nicht gar einen Schwindel halten. Konk zeichnete einen Leichenberg als Filmkulisse aus Pappe - und steht seither nicht nur in Diensten des 'Figaro‘, sondern ist ebenfalls regelmäßiger Mitarbeiter des 'National Hebdo‘ von Le Pen.

Alexander Smoltczyk