Lex DSU

■ Zum Beschluß über die „Listenverbindung“

KOMMENTARE

Wer hat den Protest gegen das SED-Regime angeführt? Das Neue Forum? Demokratie Jetzt? Die Initiative Frieden und Menschenrechte? Die Grünen der DDR? Falsch, alles falsch. Die DSU war's. So scheinen es jedenfalls CSU/CDU/FDP/SPD zu sehen. Um, so FDP-Chef Lambsdorff, „den Gruppen der Revolution eine Chance zu geben,“ haben sie sich nämlich auf einen Wahlmodus geeinigt, der nur eine einzige kleine Gruppierung begünstigt - und die hat mit der Bürgerrechtsbewegung nichts zu tun: die DSU. „Listenverbindung“ nennen Schäuble und Waigel, Lambsdorff und Vogel ihren nach Wochen ausgekungelten Kompromiß - eine Bezeichnung die so verwaschen wie verlogen ist. Verbinden können sich nämlich vor allem zwei Listen: die von CSU und DSU, die nur in Bayern beziehungsweise der DDR antreten. Dagegen wird es den Grünen und den Bürgerrechtsbewegungen, die beide in der DDR präsent sind, erschwert, den Sprung ins Parlament zu schaffen. Nach der Absprache der Bonner Großen Koalition dürfen sich nämlich nur solche Parteien in einer Listenverbindung vereinen, die nicht unmittelbar in einem Bundesland gegeneinander konkurrieren.

Vorbehaltlich einer abweichenden Stellungnahme der DDR -Regierung in der Wahlrechtsfrage sind die Grünen und die Bürgerbewegungen jetzt gezwungen, eine Konstruktion zu finden, die ihnen dennoch den Einzug ins erste gesamtdeutsche Parlament ermöglicht, denn allein wird ihnen der Sprung über die einheitlich geltende Fünfprozentklausel nicht gelingen. Im Falle einer vorherigen grün-grünen Fusion könnten die BürgerrechtlerInnen nur auf jener Schiene ins Parlament rutschen, die ihrem Anspruch auf Eigenständigkeit und Autonomie am wenigsten gerecht wird: auf Plätzen, die ihnen die Grünen auf ihren Listen einräumen. Die andere Möglichkeit bestünde in der Gründung einer grün-bürgerbewegten Wahlpartei in der DDR, doch auch hier gibt es, namentlich in den Reihen des Neuen Forums, Vorbehalte. Offen bleibt, ob ein getrenntes Antreten etwa des Neuen Forum und der Grünen bei den Landtagswahlen dann für die Bundestagswahlen als Kriterium für „konkurrierende Parteien“ herangezogen wird.

Logisch oder gar rechtlich können jene, die in Bonn - und damit auch in Ost-Berlin - entscheiden, diesen Griff in die Trickkiste nicht legitimieren. Aber sie haben erreicht, was sie wollten. Die DSU ist drin, CSU und CDU sind's also zufrieden. Die Mehrheitsbeschafferpartei FDP braucht die Konkurrenz anderer Kleinstparteien nicht mehr zu fürchten. Und der SPD fällt ein großer Stein vom Herzen: sie bleibt von der räumlichen Nachbarschaft einer PDS im künftigen gesamtdeutschen Parlament verschont. Nicht die WählerInnen, die großen Koalitionäre von CDU/CSU/FDP/SPD haben entschieden, wer ins künftige Parlament kommt.

Ferdos Forudastan