Grünes Licht für Gentherapie

■ Umstrittene Methode wurde in den Vereinigten Staaten erstmals genehmigt: „Darauf hat die Medizin seit Tausenden von Jahren gewartet“

Berlin (wps/ap) - In den Vereinigten Staaten ist jetzt zum ersten Mal der Einsatz der umstrittenen Gentherapie zur Behandlung von Krankheiten in zwei Fällen endgültig genehmigt worden. Eine eigens eingesetzte Gutachter -Kommission der Nationalen Gesundheitsinstitute entschied sich am Dienstag für die Zulassung zweier Verfahren, mit denen Patienten mit Hautkrebs und Kinder mit einem angeborenen Immundefekt behandelt werden sollen.

Der Vorsitzende der siebzehnköpfigen Kommission, Gerald McGarrity, jubelte nach der entscheidenden Sitzung: „Dies war eine historische Abstimmung. Wir haben heute die Gentherapie in das medizinische Areal eingeführt, wie die Impfung, die Strahlentherapie und die Antibiotika. Darauf hat die Medizin seit Tausenden von Jahren gewartet.“ Der Entscheidung der Kommission waren drei Jahre lang Beratungen und Anhörungen vorausgegangen sowie heftige Proteste der Bürgerkomitees.

Die Gentherapie soll zunächst an Hautkrebspatienten erprobt werden, für die es keine Hoffnung mehr gibt. Dabei werden in bestimmte weiße Blutkörperchen Gene eingeschleust, die sie zur verstärkten Bildung des Proteins TIL anregen. Dieses Protein soll die Tumorzellen attackieren. Gen-Ingenieure züchten im Labor Milliarden dieser Blutzellen mit verstärkter Abwehrfunktion gegen Tumore. Die Zellen werden dann in hoher Konzentration den Krebskranken injiziert. Etwa die Hälfte der Patienten zeigt eine deutliche Besserung nach dieser Behandlung, die andere Hälfte stirbt. Um die Therapie weiter zu verbessern und um noch höhere Konzentrationen von TIL zu erzielen, sollen dann in einem zweiten Schritt die weißen Blutkörperchen gentechnisch so verändert werden, daß sie selbst „direkt im Tumor“ TIL produzieren.

Der zweite Einsatz der Gentherapie soll an zehn Kindern angewandt werden, die an einem Immundefekt leiden. Das Schicksal eines dieser Kinder hat ganz Amerika berührt. David, der Junge, der in einer sterilen Plastikhülle lebt, ist weltberühmt geworden.

In die Blutzellen dieser Kinder sollen Gene implantiert werden, die „zuständig“ sind für die Produktion eines Enzyms, das für das Immunsystem unerläßlich ist. Der Erfolg dieser Therapie ist allerdings mehr als fraglich. Die meisten der Blutzellen mit der neuen Erbinformation sterben schon nach einigen Wochen wieder ab. Man hofft aber, daß die Anzahl der überlebenden Blutzellen hoch genug sein wird, um das Immunsystem der Kinder wenigstens teilweise zu stabilisieren.

In den Vereinigten Staaten ist die Gentherapie stark umstritten. Bürgerkomitees um den bekannten Gentech-Kritiker Jeremy Rifkin haben wiederholt angekündigt, daß sie diese „Einstiegsdroge“ zur Veränderung des Erbmaterials von Menschen ablehnen. In der Bundesrepublik hat die Hamburger Molekularbiologin und bekannte Gentech-Kritikerin Regine Kollek wiederholt davor gewarnt, daß man sich mit solchen Experimenten auf „jenen schlüpfrigen Abhang begibt, der mit ziemlicher Sicherheit in die gentechnische Veränderung des Menschen münden wird“. Kollek weiter: „Ich glaube, daß unser ethisches Instrumentarium, mit dem solche Dinge bewertet werden, nicht ausreicht, um die neue Qualität solcher Versuche zu erfassen.“

-man