Waren DDR-Minister früher Stasi-Spitzel?

■ Diestel bezweifelt frühere Stasi-Mitarbeit

Berlin (taz) - Innenminister Peter-Michael Diestel kann sich nicht vorstellen, daß vier seiner Kabinettskollegen früher als inoffizielle oder hauptamtliche Mitarbeiter für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet haben. Entsprechende Meldung der 'Welt‘ kommentierte der frühere DSU-Mann vor der gestrigen Kabinettssitzung mit einem „Das kann ich mir nicht vorstellen“. Derartiges sei ihm nicht bekannt - er hoffe, daß es sich um ein „trauriges Gerücht“ handele.

Ohne Angabe von Quellen hatte die Springerzeitung an prominenter Stelle berichtet, fest stehe bisher nur, daß Ministerpräsident Lothar de Maiziere der Stasi-Mitarbeit nicht verdächtigt werde. Das gehe aus der Überprüfung der Eingangskarteien des MfS hervor. Zwei der namentlich unbekannten Minister sollen danach der CDU und jeweils einer der SPD und den Liberalen angehören. Regierungssprecherin Angelika Merkel nannte die Meldung gestern „problematisch“. Sie forderte dazu auf, ihr keinen Glaube zu schenken. Die Vorwürfe sollten im zuständigen Prüfungsausschuß bei gebotener Geheimhaltung erörtert werden.

Dem zeitweilige Prüfungsausschuß der Volkskammer, der eine mögliche Verstrickung von Parlamentariern in die früheren Machenschaften des MfS untersuchen soll, liegen mittlerweile an die 40 Namen von Abgerordneten vor. Unter ihnen sollen sich nach Informationen der 'Welt‘ auch die vier Minister befinden. Insgesamt sind 408 Abgeordnete und Minister daraufhin überprüft worden, ob sie in den Eingangskarteien des MfS aufgeführt sind. Die einzelnen Recherchen fanden im April statt. Jeweils eine Vertrauensperson, ein Kirchenvertreter und ein Rechtsanwalt suchten in den MfS -Archiven nach dem Namen der einzelnen Volkskammermitglieder. Die Abgeordneten selbst bekamen ihre Akten nicht zu Gesicht. Genaue Rückschlüsse auf eine mögliche Arbeit für den Staatssicherheitsdienst lassen sich allerdings nur über die Personalakten des MfS und nicht über die Eingangskarteien ziehen. Die Ergebnisse der „Erstkontrollen“ wurden an die Volkskammer-Fraktionen und den Prüfungsausschuß weitergemeldet. Dessen Aufgabe ist nun, den Hinweisen an Hand der Personaldossiers nachzugehen und zu untersuchen, in welchem Verhältnis die Benannten zum Stasi standen.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Günther Krause, bestritt, daß er im Zusammenhang mit den Vorprüfungen 24 „blaue Briefe“ verschickt hat, in denen er Fraktionsmitglieder aufgefordert haben soll, im zukünftigen gesamtdeutschen Parlament keine wichtigen politischen Mandate mehr zu übernehmen. Er räumte ein, in diesem Zusammenhang mit CDU -Abgeordneten über eine mögliche Kandidatur bei den anstehenden Wahlen gesprochen zu haben.

Wolfgang Gast