Überall leere Kassen - Zulieferer in Bedrängnis

■ Noch ein Jahr kommen 2.500 Kollegen der Teltower Elektronik GmbH über die Runden: Kurzarbeit verhindert Entlassungen

Berlin (dpa/taz) - Bei der Teltower Elektronik GmbH arbeiten 2.500 von insgesamt 4.000 Beschäftigten kurz, gekündigt wurde keinem. Aber für die Kurzarbeiter ist im Moment keine Arbeit da. „Ein Jahr lang wird für Null-Arbeit Kurzarbeitergeld bezahlt“, teilte Wilfried Schulz, der Arbeitnehmervertreter im ehemahligen Kombinat Elektronische Bauelemente mit. Als Kurzarbeitergeld werden 85 Prozent des Lohnes bezahlt. Die Umsätze des Elektronikbetriebes seien im Juni um vier Millionen Mark zu niedrig gewesen, so Schulz. Personalkosten zu hoch, die Auftragslage schlecht.

Woran liegt's? „Der gesamte Zahlungsverkehr in der DDR ist zusammengebrochen. Wir haben Forderungen in Millionenhöhe ausstehen“, so schildert Herbert Ressel, Leiter der Geschäftsstelle der Elektronik GmbH in Teltow die Lage des ehemaligen Kombinats. Weil die Lieferungen des Betriebes nicht bezahlt werden, kann die Firma nun ihrerseits keine Rechnungen mehr bezahlen. „Wir beschränken uns auf Lohn- und Gehaltszahlungen“, so Ressel. Mit diesem Problem stehe die Elektronik GmbH aber keineswegs allein, das sei ein zentrales Problem der DDR-Wirtschaft.

Das Kombinat war bisher Zulieferbetrieb für Firmen wie Robotron oder das Fernsehgerätewerk. Ressel trauert alten Zeiten nach: „Wir haben sämtliche Unternehmen der Elektronikbranche beliefert. Aber alle diese Kombinate haben jetzt auch 'n paar Probleme...“ Mit der Kurzarbeiterlösung will die Elektronik GmbH soviel Arbeitsplätze wie möglich erhalten. Wie lange das gelingen wird, ist unsicher. Für Investitionen und Rationalisierungen bräuchte die Elektronik GmbH 40 Millionen Mark.

Nun will die Betriebsleitung auf Umschulung setzen. Im September werden 265 Arbeitnehmer mit einer Umschulung beginnen. „Insbesondere Bankkauffrauen und Versicherungskauffrauen sind jetzt gefragt“, erläutert Ressel. Im technischen Bereich ist ist noch unklar, welche Umschulungsmaßnahmen es geben wird. Bisher wurden Elektronikfacharbeiter ausgebildet. Es gibt aber wesentlich mehr Anfragen nach Umschulungsmöglichkeiten in Teltow als Angebote: Rund 950 Mitarbeiter hätten Förderungsgelder für Umschulungen beantragt. Ab Oktober soll auf dem Betriebsgelände eine Übungsfirma entstehen, in der das Bildungswerk der Deutschen Angestellten Gewerkschaft Umschulungen durchführt.

Die Stimmung im Betrieb sei schwer zu beurteilen, sagt Arbeitnehmervertreter Wilfried Schulz. „Wer ist schon zufrieden, wenn er keine Arbeit hat?“ Der Arbeitsrhythmus und das Kollektiv fehlen. Vor allem Arbeitnehmer ab 40 machen sich große Sorgen, ob sie auch in Zukunft noch vermittelbar sind.

Westliche Elektronikfirmen seien an einer Zusammenarbeit mit der Elektronik GmbH interessiert, so der Leiter der Geschäftsstelle Herbert Ressel. Davon verspricht er sich aber erst mittelfristig eine positive Wirkung für das Teltower Elektronik-Unternehmen. Nach bundesdeutschen Einschätzungen werden in der Elektronikindustrie der DDR in den kommenden vier bis sechs Jahren rund 100.000 Arbeitsplätze verloren gehen. Das ist ein Viertel der Arbeitsplätze in diesem Industriezweig. Mittelfristig seien die Aussichten positv.

DDR-Betriebe könnten auch von der günstigen konjunkturellen Situation in bundesdeutschen Elektroindustrie profitieren. Die Umsätze der West-Industrie stiegen im ersten Halbjahr 1990 um 9,5 Prozent.

KM