Große Bonner Koalition für Lex DSU

■ West-SPD schloß sich Regierungskompromiß in der Wahlrechtsfrage an / Scharfe Kritik der Grünen

Bonn/Berlin (taz/afp/dpa) - Hansjoachim Walther, Vorsitzender der DSU, kann sich die Hände reiben. Seine Partei sei in der Wahlrechtsfrage für jede Lösung, die es ihr ermögliche, in den Bundestag zu kommen, erklärte er in bemerkenswerter Offenheit am Dienstagmorgen. In der Tat: Falls die Regierung der DDR nicht doch noch ein anderslautendes Votum abgibt, steht dem Einzug der DSU ins erste gesamtdeutsche Parlament nichts mehr im Wege, nachdem sich die SPD-West gestern nachmittag dem Bonner Koalitionskompromiß anschloß.

Damit wird es vermutlich bei den Wahlen am 2. Dezember ein einheitliches Wahlgebiet mit Fünfprozentklausel und der Möglichkeit von Listenverbindungen mehrerer Parteien geben, wenn diese nicht miteinander konkurrieren. Dies bedeutet eine klare Begünstigung der DSU gegenüber den Bürgerbewegungen und Grünen, da deren Schwesterpartei CSU nicht in der DDR präsent ist und damit auch nicht mit ihr „konkurriert“.

Die Fraktionssprecherin der West-Grünen, Antje Vollmer, bezeichnete denn auch diesen Wahlvorschlag als „demokratisch das Letzte“. Der Parteivorstand kritisierte, mit dem Bonner Modell würden genau die Gruppen aus dem Parlament gedrängt, die die Revolution in der DDR mitgetragen hätten, „und die schnellgewendeten Revolutionsgewinner der DSU dürfen rein“. Die Grüne Partei der DDR hatte sich bereits am Vortag für die Möglichkeit von Listenverbindungen auch von in einem Bundesland miteinander „konkurrierender“ Parteien ausgesprochen. In einer Erklärung des Republiksprecherrates des Neuen Forums wurde darauf verwiesen, daß es ohne den Kampf der Bürgerbewegungen um freie Wahlen kein gesamtdeutsches Parlament gebe: „Das Neue Forum wird sich den neuen Wahlmanipulationen sowenig beugen wie den alten.“

Die SPD begründete ihr Einschwenken auf den Koalitionsvorschlag mit der einheitlichen Fünfprozenthürde für das gesamte Wahlgebiet. Noch am Vormittag hatte Parteisprecher Eduard Heußen von einer „Lex DSU“ gesprochen, die die Sozialdemokraten nicht mittragen wollten. Auch der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Hermann Otto Solms, räumte ein, daß der Kompromiß im Ergebnis nur der konservativen DSU zugute kommt. Der Bonner Regierungssprecher Hans Klein erläuterte auf zahlreiche Anfragen hin, daß beipielsweise die bundesdeutschen Grünen mit den Bürgerbewegungen der DDR eine Listenverbindung eingehen könnten. Dies ginge aber nicht, wenn die West -Grünen sich mit den DDR-Grünen zusammenschließen.

In Ost-Berlin hat die SPD bereits in der Nacht zum Mittwoch ihr Ja zu dem Bonner Vorschlag signalisiert. Der Koalitionsausschuß, der seine Sitzung gestern Morgen wegen des Treffens der deutsch-deutschen Regierungschefs vertagen mußte, wollte am Abend über den Bonner Kompromiß entscheiden. Laut Klein kann bei Zustimmung der DDR -Regierung der Wahlvertrag paraphiert und am Freitag unterzeichnet werden.

bs