Wer hat Angst vorm Weserwasser?

■ Unser Fluß ist ökologisch gefährdet, aber Schwimmen ist erlaubt

Der Sielwall-Schiffer erzählt: „Bis Anfang der sechziger Jahre sind wir in der Weser geschwommen. Da war das Wasser auch schon voller Salze, aber die Meßmethoden waren noch nicht so gut. Ich würde da jedenfalls nicht mehr baden.“

Der schöne Weserstrand in Höhe der Sielwallfähre wirkte gestern nachmittag verwaist. Wenn es richtig heiß ist, gehen die Leute lieber zum Baden an den Werdersee. Vereinzelte saßen im Gras und an den Tischen des Cafe Sand. Aber da planscht doch ei

ner?

„Komm sofort da raus!“ ruft ein sonnenbehüteter Vater, zwei Fangnetze über der Schulter, Schippe und Eimerchen in der Hand, seinen siebenjährigen Steppke, der bis zum Hals in der Weser steht. Ist das Wasser zu schmutzig? „Nein, er kann nicht schwimmen.“ (Die Umweltbehörde: Die Kleinstlebewesen des Weserwassers sind hoch belastet mit Cadmium und polychlorierten Biphenylen.)

Vorhin seien welche vom Wasserwirtschaftsamt da gewesen, die hätten die Artenvielfalt in der Weser geprüft, erzählt der besorgte Vater. Barsche, Plattfisch und Gründeln hätten sie gefangen. „Das Wasser ist unbedenklich zum Schwimmen, haben die gesagt.“ (Die Umweltbehörde: Planktonarten sind durch Salze verschwunden.) Der Sohn kommt aus dem Wasser und leckt sich die Wasserperlen von den Lippen.

Daneben ein junger Angler. Er hat einen kleinen Barsch gefangen. „Klar esse ich die, wenn die gut sind. Die schwimmen ja alle in die Nordsee. Und die Fische die

dort gefangen werden, essen wir ja auch. Aber ich hole öfter welche heraus, die haben große Geschwüre.“ (Die Umweltbehörde: Die Situation für Fische und Vögel ist kritisch.)

Der Vater erzählt: „Bis vor drei Jahren sind wir hier noch geschwommen. Wir hatten dann immer so viel zu tun im Kleingarten. Deshalb sind wir nicht mehr geschwommen. Wir hatten aber auch Augenreizungen. (Das Wasserwirtschaftsamt: Das Bad im Fluß ist nicht gesundheitsgefährdend.) „Meine Kinder spielen hier, baden dürfen sie nicht“, erklärt eine Mutter, „aber vorhin habe ich zwei Jungen schwimmen sehen“. (Die Säuren fressen an Schiffsrümpfen und Kraftwerksanlagen.)

Zwei alte Frauen überlegen: Wann haben noch Leute in der Weser gebadet? „Ich habe früher am Osterdeich gewohnt und direkt auf diesen Strand geblickt. Da sind immer viele Leute geschwommen im Sommer, da war immer ordentlich was los.“ (Wegen der Sogwirkung, die vorbeifahrende Schiffe auf Badende ha

ben, rät das Wasserwirt schaftsamt vom Bad im Fluß ab).

Das Baden in der Weser ist nicht verboten, so viel steht fest. Wenn das Wasser nicht gesundheitsgefährdend ist, warum schwimmt dann keine darin, so wie sie es früher getan haben? Ute Zolodek vom Hauptgesundheitsamt: “ Weil das Weserwasser nicht als Badewasser gilt, wird gar nicht nach allen Stoffen gesucht, die für Menschen gefährlich sein könnten. Und was man nicht sucht, kann man nicht finden. Vielleicht gibt es Belastungen, die wir nicht kennen. Aber eine akute Gefährdung gibt es nicht.“ Und wie bei den Badeseen auch, muß unterschieden werden, ob von einem ökologisch intakten Gewässer oder einem Badegewässer die Rede ist. Denn zum Baden darf das Wasser weit aus dreckiger sein, als eine gesunde Flora und Fauna im Wasser aushält.

Wenn die Weser zum Schwimmen geeignet ist, will ich es sofort wissen. Denn was kann schöner sein in dieser Hitze als ein Bad im kühlen Strom? Beate Ram