Kreativ- aber Büro

■ An der Nahtstelle von drinnen und draußen - Das Kreativbüro im Zentralkrankenhaus Ost

Nähert man sich dem „Kreativbüro“ innerhalb des Zentralkrankenhauses-Ost an einem dieser heißen Sommertage, kann man soviel augenscheinliche Idylle, soviel baumbekronte Parkherrlichkeit mit darin verstreuten Landhäusern kaum fassen. Die Räume des Büros sind im „Gesellschaftshaus“ der Klinik untergebracht.

Was heute Freizeitaktivitäten der PatientInnen dient, war mit seinen hölzernen Jugendstilbalustraden vormals Sitz des Chefarztes und des Ärztecasinos des „St. Jürgen-Asyls für Nerven- und Geisteskranke“, das 1904 von der St.-Jürgen -Straße in das Dorf Ellen verlegt worden war.

Aber nicht nur das Chefhaus, auch das jetzt restaurierte „Haus im Park“, das schon damals als kulturelle Begegnungsstätte zwischen drinnen und draußen und zwischen sonst getrennnten Männer und Frauen der Anstalt diente, ist von allerschönstem Jugendstil. Das Zentralkrankenhaus-Ost, inzwischen in zentralen Teilen in einem labyrinthischen Hochhausturm untergebracht, begann schon 1904 als Reformprojekt, das geschlossene und offene Abteilungen, bewachte Säle mit 40 Insassinnen und eine Gutswirtschaft als Arbeitstherapie vereinte.

Die Dokumentation der Geschichte dieser Bremer Reform -Irrenanstalt ist eines der Projekte des „Kreativbüros“. Die Zeit bis 1934 bearbeiteten Gerda Engelbracht und Achim Tischer und machten daraus u.a. eine Ausstellung im Krankenhausmuseum auf dem Gelände. Gerda Engelbracht setzt die Geschichte für die NS-Zeit mit einem Forschungsauftrag fort. Das „Kreativbüro“, 1987 bis zum 1989 mit fünf ABM -Stellen betrieben, geht auf die In

itiative Achim Tischers zurück, berichtet sein Mitarbeiter Stephan Uhlig, der in den Ferien allein die Stellung hält. Tischer hatte schon in Göttingen und in Moringen freie Theaterarbeit mit Psychiatriepatientinnen gemacht und einen Ort zur Fortsetzung dieser Arbeit gesucht und für sich einen Platz zum Seßhaftwerden. Im Unterschied zum Blaumeier -Atelier, das aus der Bewegung

raus aus der Anstalt entstanden ist, habe Tischer innerhalb der Instituion arbeiten wollen, bzw. „an der Nahtstelle nach außen.“ Das Kreativbüro hat versucht, diese Nahtstelle durchlässig zu machen, durch ein „kulturelles Klima, das es so erstmal nicht gibt.“ Es hat Stadtteilfeste im Klinikpark organisiert und ein jährliches internationales Kindertheaterfest, zu besuchen von „drin

nen“ und „draußen“ gemeinsam.

Innerhalb der Klinik wurde aus Improvisation Theater entwickelt, das deutlich nicht Therapie sein will. Es soll aber auch nicht „vorhandene Probleme verdoppeln“. Bei dem Spiel mit selbstgebauten Masken, an dem jetzt gearbeitet wird, gehe es um das „Arbeiten an Grundsachen“ wie der „Suche nach göttlicher Liebe“, deren Fehlen vielleicht mit Krankheit auslöse. Wenn Uhlig sagt: „Wir nennen nicht Roß und Reiter, wir machen nicht, was erwartet wird,“ dann schwingen darin unausgesprochene Vorbehalte gegen die Arbeit der „Blaumeiers“ mit, die mit ihren Aktivitäten ungleich größere öffentliche

Aufmerksamkeit genießen als die Kreativler draußen im Park.

1989 gingen die fünf ABM-Stellen zu Ende. Seitdem geht das Projekt eingeschränkt weiter mit zwei halben Stellen für Tischer und Uhlig aus dem Kliniketat. Das ist mehr als anderswo, aber, sagt Uhlig, seine Arbeitszeit geht schon ziemlich drauf mit der Organisation von Musikveranstaltungen, für eigene musikalische Arbeit bleibt da wenig. Wer sehen will, was bleibt: Am 2. November wird das restaurierte „Haus im Park“ eröffnet, und die bremer shakespeare company spielt noch einmal, was sie sonst nicht mehr spielt, ihr göttliches „Was Ihr wollt.“

Uta Stolle