: Roma sollen sich freiwillig abschieben lassen
■ Sechs Familien erfolglos zur Abschiebung bestellt / Solidarität / Mahnwache geht weiter
Die Situation der 15 akut von Abschiebung bedrohten Roma -Familien spitzt sich zu. Sechs Familien wurden gestern kurzfristig zur Bremerhavener Ausländerpolizei bestellt, „um die Abschiebeformalitäten zu besprechen.“ Sie schickten allerdings lediglich ihren Hamburger Anwalt, Christian Schneider, um die Akten einzusehen. Er stellte anschließend für alle betroffenen Familien vor dem Verwaltungsgericht Anträge auf Duldung. Vorsorglich hatte die Ausländerbehörde allerdings Fahndung und Abschiebehaft für den Fall angedroht, daß die Roma der Ladung nicht freiwillig und persönlich folgen.
Unterdessen setzen rund 40 weitere heimatlose Roma ihre Mahnwache in Zelten vor dem Amtssitz des Innensenators fort. Gestern bekamen sie Besuch von rund 100 BremerInnen, die für ein Bleiberecht der Flüchtlinge von der Contrescarpe zum Marktplatz demonstrierten. 15 Organisationen hatten dazu aufgerufen.
Es häufen sich Solidaritätserklärungen für die von Abschiebung bedrohten Familien. Für eine „menschliche Lösung“ hat sich der Schriftführer der Bremischen Ev. Kirche, Pastor Johann Herlyn, beim Innensenator eingesetzt. Bremerhavens DGB-Vorsitzender Johann Lüdemann hat gestern zum zweiten Mal vergeblich bei Finanzsenator Grobecker
und Innensenator Sakuth gegen die drohende Abschiebung interveniert. „Politik ist hier zur Zeit nicht bereit zu vermitteln“, sagte er, „es ist wie ein Lauf gegen die Betonwand.“ Der Pastor der Bremerhavener Paulusgemeinde, Burckard Mecking, der guten Kontakt mit den Roma-Familien hat, nannte es in einem offenen Brief an Sakuth „tief verletzend und beschämend“, wenn die
Roma ausgewiesen würden. Und die BesucherInnen des besetzten Hauses in der Grünenstraße wollen mit ihrer „Volksküche“ die zeltenden Roma unterstützen. Für Samstag ist ein Solifest an der Contrescarpe angekündigt.
Per Telex meldeten sich die Vereinten Nationen bei der Bremerhavener Ausländerbehörde. Walter Koisser, Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars
der UN in der BRD, weist darauf hin, „daß eine ablehnende Entscheidung nach dem Asylverfahrensgesetz nicht in jedem Fall eine Abschiebung rechtfertigen kann“ und bittet dringend um Informationen über die Fälle.
Vom Innensenator kam dagegen gestern abend eine Klage über die „hygienische Situation“ vor seinem Amtssitz: „Der Aufenthalt in den kleinen Zelten ohne
entsprechende Ver- bzw. Entsorgung ist nicht länger zumutbar“, heißt es in der Presseerklärung. Die Roma seien deshalb über ihren Anwalt gebeten worden, „von dem Angebot des DRK Gebrauch zu machen“ und „an einem anderen Ort der Stadt Zelte aufzustellen und entsprechende hygienische Voraussetzungen zu schaffen“. Das Angebot einer Kirchengemeinde, für die Unterbringung zu sorgen, hatten die Roma jedoch abgelehnt.
An seiner Entscheidung, die heimatlosen Roma nach Jugoslawien abzuschieben, ließ der Innensenator auch gestern keinen Zweifel. Senatsdirektor Helmut Kauther habeden Anwalt der Roma aufgefordert, „auf seine Mandanten einzuwirken, damit diese die Bundesrepublik freiwillig verlassen, wie dies zwei Familien bereits getan haben“. Diese beiden Familien gehören allerdings nicht zu den konkret von Ausweisung bedrohten Personen. Unfreiwillig war dagegen am Mittwoch vergangener Woche der Rom Ekrem Imer aus Bremerhaven direkt nach Zagreb verfrachtet worden.
Zumindest bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtes über die neuen Duldungs-Anträge will der Innensenator mit der Abschiebung noch warten. Das sei dem Anwalt zugesichert worden.
Dirk Asendorpf
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