Die „Ruinenbewohner“ wollen endlich in Ruhe leben

■ Die Bewohner der „Ruine“ am Winterfeldtplatz starten wieder eine Kneipe - und warten weiter auf Hilfe vom Senat / Alternative für einige: Obdachlosenheim und Stütze

Schöneberg. Zwischen Bäumen und Mauerresten spielen ein paar Kinder im frisch angelegten Sandkasten. Vor dem Tor tobt das Leben auf dem Winterfeldtmarkt. Dahinter scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Die Schöneberger „Ruine“, einer der letzten Überrest der Hausbesetzerbewegung, bröckelt still und friedlich vor sich hin. „Beeing fashionable late may not pay allways“, mahnt eines der vielen bunten Graffiti im Hausflur. 25 Menschen, darunter ein Kind, und ein paar Hunde und Katzen leben in den kleinen, ofenbeheizten Wohnungen des Hinterhauses. Die Idylle trügt: Im Winter zieht es hier böse durch die Fenster. Das Vorderhaus wurde während des Krieges weggesprengt. In den Trümmerresten, in denen früher jene legendäre Besetzerkneipe residierte, wird von den Hausbewohnern seit neuestem wieder ein Cafe eingerichtet. „Wir müssen schließlich sehen, daß wir Geld verdienen“, sagt Harry trocken. Harry arbeitet eigentlich als Elektromonteur, derzeit hat er Urlaub und renoviert die Caferäume. Die meisten Leute im Haus jedoch leben von Sozialhilfe. Mietverträge haben die wenigsten, vom Hausbesitzer werden sie jedoch geduldet.

Von diesen unsicheren Zuständen möchten die Ruinenbewohner schon lange weg. Sie wollen das Haus sanieren, das Cafe soll laufen. Der Schutt aus dem Hof wurde inzwischen zusammen mit Initiativen aus Ost-Berlin abgefahren. „Wir wollen keine Junks hier haben und ordentlich leben“, sagt Harry sehr bestimmt. Aber nach all den Jahren ist die Zukunft des Hauses immer noch unsicher. „Wir bekommen laufend Knüppel zwischen die Beine geworfen“, klagt Harry.

Bis in die achtziger Jahre sollte das Haus abgerissen werden, eine Neubauzeile entstehen. Dann setzte sich die Projektgruppe Winterfeldtplatz, eine Bürgerinitiative, durch. 1986 beschloß die Schöneberger BVV, den Bau zu erhalten. Lange Zeit zankte man sich um Formalien: Ein Hausverein mußte gegründet werden, dann wurde ein Sanierungsträger gesucht. Eigentümer Krogmann wollte kein Selbsthilfeprojekt auf dem Hals haben, der Bezirk entschloß sich daraufhin, das Haus zu kaufen. Da muß jedoch der Finanzsenator zustimmen, und nachdem seit 1945 keine Mark mehr in die Instandhaltung gesteckt wurde, befürchtete der horrende Kosten. Letzten Dezember sagte zwar Erich Jesse, der Initiativenbeauftragte des Bausenators, dem Bezirksamt zwei Millionen zur Sanierung zu, dies war jedoch „etwa voreilig“, erklärte Nagel danach. Zu guter Letzt verwirrte das Schöneberger Grundstücksamt im Juni dieses Jahres Krogmann mit der Aufforderung, das Grundstück „abzuräumen“, sonst könne man es nicht kaufen. Der kündigte daraufhin den Bewohnern die Nutzungsverträge.

Inzwischen haben sich alle wieder beruhigt, die Leute dürfen nun doch drinbleiben. Dafür gibt es Ärger wegen des Cafes: Das Schöneberger Wirtschaftsamt will den Betrieb nicht genehmigen, schließlich habe der Verein keine Konzession, und wenn der es als Vereinscafe betreiben wolle, dann dürfe er nichts dran verdienen. „Wie sollen die Leute, die jetzt von Sozialhilfe leben, denn jemals lernen, auf eigenen Füßen zu stehen?“ fragt Harry. Man brauche eine Anschubfinanzierung für den Cafeausbau und einen Sozialarbeiter. „Zum Beispiel der Stefan, der wäre allein völlig hilflos, der lebt praktisch vom Flaschensammeln“, sagt Harry. Bis jetzt haben sich die Mitbewohner um die „Durchhänger“ aus dem Haus gekümmert, aber „das geht uns so langsam an die Substanz“, meint Fritz, einer der wenigen legalen Mieter. Und es sei für den Staat doch viel teurer, argumentiert Fritz, wenn all die Menschen in der „Ruine“ womöglich im Obdachlosenwohnheim untergebracht werden müßten, statt daß das Haus saniert werde.

Ob der Staat das auch so sieht, ist noch nicht heraus. Zu Anfang September, so sagte nun Schönebergs Baustadtrat Saager, soll eine detaillierte Kostenschätzung vom Sanierungsträger „Stattbau“ vorliegen. Dann werde der Senat entscheiden, ob er das Haus rettet. Sonst droht irgendwann der Abriß.

Eva Schweitzer