Endlich ein Präsident!

■ Nach sechs Wahlgängen erfolgreich Wahl

PORTRAIT

Schelju Schelew ist einer der integersten Männer der Demokratischen Oppostion Bulgariens.

1965 wurde er aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen und von seiner Stelle suspendiert. Er lebte daraufhin mehrere Jahre arbeitslos mit seiner Familie auf dem Land. 1981 erschien sein Buch „Der Faschismus“, das bis vor kurzem in Bulgarien verboten war. Er kritisiert darin den Faschismus als eine Form des Totalitarismus, was Rückschlüsse auf eine andere totalitäre Herrschaftsform, den Stalinismus ermöglichte. Die erste seiner beiden Dissertationen wurde wegen Unvereinbarkeit mit dem Leninismus zurückgewiesen. In den letzten Jahren arbeitet er am Institut für Kultur, das dem Soziologischen Institut der Universität Sofia angegliedert ist. Letzteres galt als Brutstätte reformerischen Denkens und sollte in der späten Schiwkoff-Ära geschlossen werden.

Über die Arbeit im Komitee für Glasnost und Perestroika kam Schelew zur Union der Demokratischen Kräfte (UDK) und wurde deren Vorsitzender. Als solcher war er äußerst beliebt in Bulgarien. Wenn der kleine sympathische Mann auf Wahlkampfveranstaltungen auftauchte, wurde er sofort von Autogrammjägern umringt. „Kann ich das wirklich machen, Fotos von mir verteilen?“ fragte er einmal schüchtern seine Begleiter.

Schelju Schelew ist kein ausgefuchster Politiker. Er kümmerte sich wenig um Intrigen- und Machtkämpfe, die sich heimlich in der Zentrale der Opposition anbahnten. Er äußerte sich nicht dazu, daß ein wichtiges Mitglied der UDK, das erst Anfang des Jahres aus der Kommunistischen Partei ausgetreten war, vor Journalisten für eine Koalition mit den Ex-Kommunisten der BSP eintrat. Das wurde ihm zum Teil als Schwäche ausgelegt, als Mangel an Führungs- und Durchsetzungsvermögen.

Trotz klarer Abgrenzung von den Kommunisten und eindeutiger Ablehnung einer Zusammenarbeit mit ihnen noch bis vor kurzem ist er politisch eher gemäßigt. Die nach der Wahlniederlage der Opposition enttäuschten Menschen beruhigte er mit den Worten: „Wenn ausländische Journalisten unser Ergebnis als Erfolg werten, warum sollten wir das dann nicht tun?“ Er trug mit dazu bei, daß es zu keiner Situation wie in Rumänien kam.

Als Präsident des Landes könnte Schelew eine integrierende Funktion ausüben. Für die UDK wird sich mit dem Verlust dieses Vorsitzenden einiges ändern. Politiker mit mehr Erfahrung im politischen Machtspiel werden nach vorne drängen. Dabei kann es zu einer erneuten Zerreißprobe für die UDK kommen.

Gretel

Ruschmann