Italiens Ritt nach Osten

■ Erster Gipfel der Fünferinitiative will Gegengewicht zu vereintem Deutschland

Venedig (taz) - Der Name klingt eher sportlich oder kulturell, und ist somit hervorragend geeignet, seine Explosivkraft zu verdecken: „Iniziativa pentagonale“ heißt die Konferenz, auf der die Regierungschefs von fünf Ländern des „europäischen Mittel-Südostens“ derzeit in Venedig über eine verstärkte Zusammenarbeit - „auf allen Ebenen, von der wirtschaftlichen bis zur wissenschaftlichen“ - beraten. Erste Ergebnisse lagen bereits nach der Vorkonferenz der Außenminister vor, weitgehende Kooperationsverträge etwa auf dem Gebiet von Industrieanlagen und High-Tech-Transfers, aber auch für den Kulturaustausch sind in Vorbereitung. Der Clou dabei: Anführer der „Fünferkonferenz“ ist Italien, das derzeit die Präsidentenschaft der EG innehat, aber sonst gehört dem illustren Zirkel keines der vereinigten Europaländer an. Ungarn, Tschechoslowakei, Österreich und Jugoslawien nehmen an dem Palaver teil, nächstes Jahr können möglicherweise auch noch andere Ost-Länder dazukommen, „bis hin zur Türkei und den Ländern des Schwarzen Meeres“, wie Außenminister De Michelis schon schwärmt.

Der italienische Oberdiplomat ist sowieso einer der besonderen Fans solcher Initiativen - „mit eindeutiger Stoßrichtung gegen die Achse Bonn-Paris“, wie der staatliche Rundfunk RAI zufrieden vermerkt. Seit Italien klar wurde, daß die Verwirklichung eines Europa ohne Grenzen nicht, wie erhofft, eine Verschiebung des Zentrums nach Süden mit sich bringt, sondern eher nach Nordosten, haben sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, Kontrapunkte zu setzen. Bereits im Vorjahr, als sich erste Anzeichen des Ost-Ritts der Deutschen manifestierten, gab es Pläne zu einer Förderation aller Mittelmeeranrainer; das Projekt wurde aus Rücksicht auf die EG-Präsidentschaft Italiens auf Eis gelegt, soll aber 1991 weiter vorangetrieben werden.

Unklar ist bisher noch, wie sich die anderen EG-Länder zu der „Pentagono-Initiative“ stellen werden .

Werner Raith