Kein Rucksack für die DDR-Opposition

■ Die große Koalition in West und Ost hat ihr Ziel erreicht: Die Bürgerbewegungen haben ganz sicher, die PDS wahrscheinlich keine Chance bei den Wahlen / Der Wahlvertrag wird nächste Woche ratifiziert

Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Es ist vollbracht: die großen Parteien der Bundesrepublik und ihre Satelliten in der DDR haben sich auf einen Wahlmodus geeinigt, der ihnen die Plätze sichert und das erste gesamtdeutsche Parlament vor den Bürgerbewegungen ganz sicher, vor der PDS höchst wahrscheinlich schützt. Gestern vormittag paraphierten Bundesinnenminister Schäuble und DDR-Staatssekretär Krause den Wahlvertrag beider Regierungen. Dieses Machwerk, nicht nur von den Grünen als „Anschlag auf die Demokratie“ kritisiert, sieht Wahlen in einem einheitlichen Wahlgebiet mit Fünfprozentsperrklausel und die Möglichkeit von Listenverbindungen für nicht miteinander konkurrierende Parteien vor. Es wird als „Lex DSU“ bezeichnet, weil es dieser Partei den Einzug ins Parlament mit Hilfe der CSU garantiert.

In Bonn und Ost-Berlin hatten die Sozialdemokraten dem Vorschlag der Regierungsparteien zugestimmt. Sie waren dreist genug, die „Fackelträger der Herbstrevolution“ - ohne die gesamtdeutsche Wahlen bekanntlich überhaupt nicht zustandegekommen wären - zu den West-Grünen zu schicken. Die wiederum wollen mit dem Krepel-Verein der Ost-Grünen vor den Wahlen fusionieren (siehe Interview). Somit bliebe dem Bündnis 90 keine Partnerin.

Allerdings tragen dessen Volkskammerabgeordnete das Problem mit Fassung und Humor. Konrad Weiß (Demokratie Jetzt) erwägt - ähnlich wie die PDS und nun auch die „Republikaner“ - eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Er wolle prüfen lassen, ob die paraphierte Regelung nicht gegen das Gleichheitsgebot verstoße.

Weiß überraschte die Journalisten gestern mal wieder mit unkonventionellen Gedanken. Er habe nichts dagegen, daß Vertreter des Bündnis 90 in vielen Rucksäcken in das neue Parlament einzögen, wenn sie dort eine gemeinsame Fraktion bilden könnten. Ergo könnten sich die klugen Köpfe der DDR -Opposition doch auch „auf CDU-Listen setzen lassen“. Dem CDU-Staatssekretär Krause verschlug's die Sprache, als Weiß ernsthaft meinte: „Warum denn nicht? Das wäre doch eine Möglichkeit, auch wenn wir lieber auf eigenen Füßen gehen würden.“ Sicher gewänne der Wahlkampf an Unterhaltungswert.

Etwas praktischer indes argumentierte Volkskammer -Vizepräsident Wolfgang Ullmann (Demokratie Jetzt). Wie viele andere kritisierte er, mittels der undemokratischen Sperrklausel und den weiteren Regelungen werde versucht, „den Bürgerbewegungen die politische Gehfähigkeit zu bestreiten oder zu nehmen“. Die Bürgerbewegungen müßten nun gemeinsam mit den DDR-Grünen Verhandlungen mit den bundesdeutschen Grünen über eine Listenverbindung aufnehmen. Das ginge aber nur, wenn die DDR-Grünen ihre eigennützigen Fusionspläne mit den West-Grünen aufgeben. Zu diesem Thema schwiegen die DDR-Grünen gestern. Sie bezeichneten den Wahlvertrag als „antidemokratischen Streich und tiefe Demütigung der Bürgerbewegungen. Diese haben im Herbst '89 die Demokratisierung der DDR wesentlich getragen und werden nun auf Listenplätze anderer Parteien verwiesen, um wenigstens mit Einzelpersonen im gesamtdeutschen Parlament vertreten zu sein.“ In Verkennung politischer und rechnerischer Mehrheiten der Volkskammer forderten die DDR -Grünen die Parlamentarier auf, „diesem undemokratischen Wahlvertrag nicht zuzustimmen und mindestens Listenverbindungen 'konkurrierender‘ Parteien zuzulassen“.