: Zwerg mit wirtschaftlicher Potenz
■ Das kleine Ölscheichtum am Persischen Golf existiert erst seit Mitte des 18.Jahrhunderts
Die Geschichte des Emirats Kuwait ist so dürr wie die Landschaft des Wüstenstaates. Erst Anfang des 18.Jahrhunderts ließ sich ein Beduinenstamm an der nordwestlichen Küste des Persisch-Arabischen Golfes nieder und gründete die Stadt Kuwait. Im Jahre 1752 oder 1753 übernahm ein Scheich des Clans der „as-Sabah“ die politische Führung. Seit 1977 regiert mit Emir Dschaber al-Ahmed as -Sabah in ununterbrochener Folge ein Mitglied der Familie as -Sabah das nunmehr schwerreiche Ölland.
Schon im späten 18.Jahrhundert erkor die englische „East India Company“ den strategischen Hafenplatz Kuwait zur Zwischenstation für den Postverkehr zwischen indischen Kolonien und britischem Mutterland. 1899 band sich Kuwait durch einen Vertrag an Großbritannien, der zwar den Briten großzügige Rechte sicherte, letztlich aber nichts an der innen- und außenpolitischen Unabhängigkeit des Emirats änderte. Dieser vorteilhafte Protektoratsstatus, der 1961 mit der Wiederherstellung der Unabhängigkeit Kuwaits endete, bewahrte Kuwait stets vor den territorialen Begehrlichkeiten seiner unmittelbaren Nachbarn Iran, Irak und Saudi-Arabien. Vor allem Bagdad und Teheran wurden nicht müde, die Grenzziehungen in der Region als von den Briten willkürlich festgelegte Kolonialgrenzen zu brandmarken.
Das kleine Emirat ist nur etwa halb so groß wie die Schweiz und zählt gerade zwei Mio. Einwohner, davon sind aber 75% Ausländer. Fast jeder zweite Einwohner des Emirats stammt aus anderen arabischen Ländern, weitere 15% kommen aus Iran, Pakistan, Indien oder Bangladesch. Insgesamt bekennen sich weit über 90% aller Bewohner zum Islam, die überwältigende Mehrheit davon zur sunnitischen Richtung.
Zwar ist Kuwait ein Zwerg an Größe und Bevölkerung, wirtschaftlich aber ein Riese. Die Ölreserven, die unter dem Wüstenboden des Emirats schlummern, gelten als die weltweit drittgrößten. Ein wahrer Ölozean, der mindestens 70, vielleicht sogar 150 weitere Förderjahre garantiert. Ungeachtet dieser glänzenden Zukunftsprognosen hat Kuwait jedoch bereits Vorsorge für die Post-Ölära getroffen und seine Wirtschaft durch Ankäufe und Beteiligungen an lukrativen ausländischen Konzernen im „vertikalen“ Sinn entwickelt. So hält das Land z.B. 14Prozent der Daimler-Benz -Aktien, 24,9Prozent der Hoechst AG und auch jede zehnte Aktie des Volkswagenwerkes ist in kuwaitischen Händen. Heute verzeich net Kuwait eines der höchsten Prokopfeinkommen der Welt. Kuwait ist - im arabischen Vergleich - ein relativ demokratischer Staat. Abgesehen von einigen Unterbrechungen verfügt Kuwait als einziger der konservativen Golfstaaten über ein zumindest teilweise demokratisch gewähltes Parlament. Frauen freilich besitzen kein Wahlrecht. Es existiert aber eine lebhafte Demokratiebewegung im Lande, die heikle Fragen wie das Frauenwahlrecht ungeniert thematisiert und ein umfassende kuwaitische „Perestroika“ fordert. Presse, Funk und Fernsehen sind trotz einer offiziellen Zensur weitgehend frei. Diplomatische Vorsicht und eine auf Ausgleich gerichtete Politik prägen seit eh und je das Politikverständnis. Sowohl zu den USA wie auch zur Sowjetunion, zu der Kuwait als erster Golfstaat volle diplomatische Beziehungen aufnahm, war man in Kuwait-City stets um gute Beziehungen bemüht. Auch wenn man den USA formal immer die Bereitstellung von Basen auf kuwaitischem Territorium versagte, so betonte das Herrscherhaus doch stets, man werde den USA „Einrichtungen zur Verfügung stellen“, wenn es denn nötig sein sollte.
Walter Saller
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