Irak will Vorherrschaft in der Region

■ Das kleine Emirat Kuwait liegt eingezwängt zwischen Hammer und Amboß

„Die Zeit für Entspannung ist noch nicht gekommen. Gemeinsame Vorbereitungen sind die entscheidende Antwort auf mögliche Überraschungen.“ Mit diesen Worten warnte der damalige Generalsekretär des Golfkooperationsrates, Abdallah Bischara, auf einer Sitzung der Verteidigungsminister der sechs Staaten davor, sich angesichts des Waffenstillstandes im Golfkrieg beruhigt zurückzulehnen. Nun ist die böse Überraschung da, wenngleich sie, vor allem in der Region, nicht unvermutet kommt.

Die Bemerkung Bischaras und die Sorge der Golfstaaten richteten sich bereits damals eher an die Adresse des Irak als an die des Iran. Obwohl die Golfstaaten während des Krieges Saddam Hussein unterstützten - da sie ein Übergreifen der islamischen Revolution befürchteten -, war ihnen doch immer bewußt, daß die Bedrohung an dem Tag, an dem die Waffen ruhen, sehr wohl aus der anderen Richtung kommen könnte. Dies gilt vor allem für Kuwait, wie schon der Blick auf die Landkarte nahelegt.

Das kleine Ölscheichtum liegt buchstäblich eingezwängt zwischen Hammer und Amboß. Nicht nur iranische Raketen landeten auf kuwaitischem Gebiet und bedrohten die Öltanker, sondern gelegentlich auch mal irakische. Und im Oktober 1988 drangen irakische Truppen „versehentlich“ auf kuwaitisches Territorium vor - ein deutliches Signal Bagdads, nach dem Waffenstillstand im iranisch-irakischen Krieg seine Beziehungen zu Teheran nicht zu sehr hochzustufen. Während des achtjähigen Golfkrieges versuchte Saddam Hussein mehrfach, die strategisch wichtige Insel Bubyan zumindest zu pachten, um den einzigen Zugang des Irak zum Persischen Golf auszubauen - vergeblich, unter anderem weil Kuwait iranische Repressalien fürchtete.

Saddam Hussein hat nach dem Waffenstillstand im Krieg, der als irakischer Sieg gefeiert wurde, keinen Zweifel daran gelassen, daß er sein altes Ziel, Vorherrscher in der Region und der arabischen Welt zu werden, weiter verfolgen wird. Die militärische Macht des Landes, das einzige neben Israel, das über eine kampferprobte Armee verfügt, hat auch in Jerusalem Besorgnis über das künftige Verhalten Saddam Husseins ausgelöst.

In den Fußstapfen

Nassers

Diese Befrüchtungen erhielt neue Nahrung, als Saddam Hussein im Frühjahr drohte, halb Israel durch chemische Waffen zu vernichten, falls es den Irak angreife. Zwar mag bei den Führern in Bagdad die Befürchtung eines israelischen Präventivschlages eine gewisse Rolle gespielt haben - im Jahre 1981 bombardierte Israel den irakischen Atomreaktor Tammuz -, die Rede Husseins zielte jedoch eher auf Festigung seiner Rolle als Führer der arabischen Welt. Vordergründig war sie eine Reaktion auf die internationalen Proteste gegen die Hinrichtung des britischen Journalisten Barghouti und den in London aufgeflogenen Versuch, sich Zünder für Atombomben zu verschaffen. Tatsächlich verschaffte sich Saddam Hussein, der sich gerne in den Fußstapfen Nassers sieht, in Teilen der arabischen Welt das erhoffte Image eines „starken Mannes“. Eine jordanische regierungsnahe Zeitung sprach damals von einem Wendepunkt in der mordernen arabischen Geschichte und konstatierte, Irak habe zu Israel „in der Sprache gesprochen, die es versteht“.

Doch jenseits der Rhetorik dürfte das Erwachen in der arabischen Welt am gestrigen Mittwoch kein erfreuliches gewesen sein. Immerhin war es ein arabisches Land, das da überrannt worden ist. Der Golfkooperationsrat ist ungeachtet seiner „Vorbereitungen“ nicht in der Lage, dem Irak auf dem militärischen Terrain Paroli zu bieten, und auch in Damaskus, Kairo oder anderen Hauptstädten wird die militärische Option in der fest verschlossenen Schublade liegen bleiben.

Die USA werden jetzt bemüht sein, die Beziehungen zu den sogenannten gemäßigten Staaten - dazu zählen neben den Golfstaaten auch Ägypten und Jordanien, ein weiteres Nachbarland des Irak - zu verstärken und den Irak innerhalb der arabischen Welt in eine isolierte Position zu manövrieren. Doch ungeachtet der letztendlichen Motivation der inszenierten Krise und des Einmarsches in Kuwait werden sich die arabischen Reaktionen in Grenzen halten, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Rivalitäten und Konflikte in der Region - sei es im Libanon, sei es die Intifada oder auch der Konflikt um das Wasser des Euphrat - zu virulent sind. Wenn der Irak sich jetzt auch einen Gegner gesucht hat, der von vorne herein keinerlei Chance hatte, ist die Botschaft doch klar: Saddam Hussein ist nicht nur ein verbal -radikaler Potentat, er kann es durchaus auch ernst meinen. Die Vorstellung, daß eine israelisch-irakische Politik der Abschreckung in einer derart sensiblen Region mit machtbesessenen Diktatoren eine Art Gleichgewicht des Schreckens herstellen könnte, dürfte wohl endgültig in den Bereich des Wunschdenkens gehören.

Beate Seel