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Irak zündet Lunte am Öl

■ Der Blitzkrieg der irakischen Truppen gegen das Ölemirat Kuwait wirft die politischen Konstellationen in der arabischen Welt durcheinander. Kein Glasnost in Nahost - so Israels Ex-Verteidigungsminister Rabin

Irakische Invasion in Kuwait

Irakische Truppen sind in der Nacht zum Donnerstag mit mehreren hundert Panzern in Kuwait einmarschiert und bis zur Hauptstadt Kuwait-City vorgedrungen. Dabei soll es nach kuwaitischen Angaben „zahlreiche Opfer“ gegeben haben. Der Palast des Emirs von Kuwait wurde nach Berichten von Augenzeugen nach zweistündigem Artilleriebeschuß von irakischen Truppen besetzt. Die Augenzeugen berichteten von heftigen Kämpfen in der Nähe des Palastes, der im Norden von Kuwait-City liegt. Nicht identifizierte Kampfflugzeuge hätten unterdessen das Stadtzentrum bombardiert. Doch sei es den Irakern offensichtlich nicht gelungen, den Regenten, Emir Dschaber al-Ahmed as-Sabah, gefangenzunehmen. Widersprüchlich waren die Meldungen, die am Donnerstag nachmittag eintrafen. Während die einen vom Ende der Kampfhandlungen berichteten, meldeten die anderen heftige Kämpfe. Die Truppenstärke Kuwaits beträgt nur 20.300 Mann.

In einer Erklärung des vom irakischen Präsidenten Saddam Hussein geleiteten „Revolutionären Kommando-Rates“ hieß es, Bagdad hätte mit dem Einmarsch auf „das Ersuchen einer Interimsregierung des freien Kuwait“ reagiert und würde nun die „Revolution und das kuwaitische Volk schützen“. Weiterhin gab Bagdad neben der Mobilisierung des mehr als eine Million Soldaten zählenden Heeres auch die Mobilisierung seiner paramilitärischen 850.000 Mann starken „Volksarmee“ aus von Reservisten bekannt. Der Luftraum des Landes sowie Land- und Seeverbindungen wurden gesperrt und allen Irakern verboten, das Land zu verlassen.

Dem Emir gelang es offenbar, mit einem Hubschrauber aus dem Palast zu fliehen. Er hält sich in der saudischen Hauptstadt Riad auf. Ob weitere Mitglieder der kuwaitischen Herrscherfamilie as-Sabah den Emir begleiteten, war zunächst nicht zu erfahren. Der Botschafter Kuwaits in Großbritannien versicherte: „Der Emir ist in Sicherheit und die Bürger Kuwaits werden weiterhin für die Befreiung ihres Landes kämpfen.“ Radio Kuwait, das seine Sendungen von unbekanntem Ort aus fortsetzte, rief die Bevölkerung auf, „ihre heilige nationale Pflicht zu tun und die Heimat zu verteidigen“. Kuwait werde „keine leichte Beute“ für die „barbarischen Invasoren“ sein.

Die mesopotamischen Invasoren, über deren Truppenstärke und Bewaffnung keine zuverlässigen Informationen vorliegen, nahmen vor allem kuwaitische Häfen und Flugplätze unter heftigen Beschuß. Wie der Präsidentenpalast war auch das Botschaftsgebäude der Vereinigten Staaten von irakischen Soldaten umstellt. Die britische Botschaft wurde von Granaten getroffen. Hotels wurden geräumt. Westliche Diplomaten erklärten, die Invasion sei so schnell erfolgt, daß keine Zeit mehr für eine Evakuierung ausländischer Bürger geblieben sei. Radio Monte Carlo berichtete, irakische Soldaten würden in den Straßen auf jeden schießen, der ihren Befehlen nicht folge. Tausende von Kuwaitis seien auf der Flucht nach Saudi-Arabien.

US-Präsident George Bush äußerte sich „zutiefst besorgt“ über die Lage. Unterdessen haben der Flugzeugträger „USS Independence“ und dessen elf Begleitschiffe Kurs vom Indischen Ozean auf den Persisch-Arabischen Golf genommen. Auf den dort stationierten sieben US-Schiffe unter dem Flaggschiff „USS LaSalle“ herrscht bereits erhöhte Alarmbereitschaft. In den USA wurden irakische und kuwaitische Guthaben vorläufig eingefroren.

Ebenso einhellig wie die USA verurteilte auch die Sowjetunion die irakische Invasion und forderte Bagdad zum „sofortigen Rückzug“. Die EG traf sich am Donnerstag vormittag zu Beratungen, um in einer einheitlichen Resolution Bagdad zum sofortigen Rückzug zu bewegen. In Bonn wurde der irakische Botschafter ins Auswärtige Amt einbestellt. Auch die Nato forderte die sofortige Beendigung der Kampfhandlungen und einen Rückzug Bagdads. Eine ebenfalls für Donnerstag angesetzte Dringlichkeitssitzung der Arabischen Liga in Kairo wurde zunächst vertagt, um den Ministern Gelegenheit zu geben, mit ihren Regierungen Kontakt aufzunehmen. Ebenso sollte in der Knesset, dem israelischen Parlament, noch am Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung der Ausschüsse für Verteidigung und Auswärtiges stattfinden. Unterdessen zogen die Preise für Erdöl und US-Dollar an allen westlichen Börsen kräftig an.

Wenige Stunden vor der Invasion war eine Konferenz des Iraks und Kuwaits über den Ölkonflikt beider Länder gescheitert. Bagdad behauptet, Kuwait habe illegal irakisches Rohöl im Wert von 2,4 Milliarden Dollar gefördert. Schon am 21. und 22.Juli hatte der Irak indes 30.000 Elitesoldaten sowie Panzer und Boden-Boden-Raketen ins Grenzgebiet zu Kuwait verlegt. Doch glaubten politische Beobachter damals, es ging der irakischen Führung bei den Truppenbewegungen hauptsächlich darum, das kleine Nachbarland vor der in Genf tagenden Konferenz „Erdölexportierender Länder“ (OPEC) einzuschüchtern und zu einer drastischen Senkung seiner Ölförderquote zu veranlassen. Wie sich jetzt aber zeigte, war das ein folgenschwerer Irrtum. Offenbar aber muß man die Drohungen eines Saddam Hussein wörtlich nehmen.

Walter Saller

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